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Maenner können auch anders

Maenner können auch anders

Titel: Maenner können auch anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volkmar Nebe , Ralf Pingel
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ultimative Kick von gestern hört überhaupt nicht auf, ich kann mich kaum auf die Arbeit konzentrieren. Was ich gemacht habe?
    Ich müsste es dir persönlich sagen, das Netz hat zu viele amtliche Augen, die mitlesen könnten, wenn Du verstehst.
    Handy ist auch zu unsicher.
     
    LG
    Tobias

13. 4.
    21:08
    Uff, meine Tochter im Bett, Frau im Theater, alles gut. Es muss einfach raus.
    Ich erzähle Dir eine vollkommen frei erfundene Geschichte, ja?
    Jede Ähnlichkeit mit noch lebenden Menschen oder geklauten Booten wäre rein zufällig.
     
    Lieber Mike,
     
    es war einmal ein Mann, der fuhr jeden Abend mit seinem schweren, flaschengrünen Volvo-Kombi auf das Garagentor seines Hauses in Hamburg-Eppendorf zu. Das Tor öffnete er mit seinem Funkschlüssel, was er jedes Mal wie ein kleiner Junge genoss. Aber an diesem Abend merkte er, dass er es anders wollte.
    Sein ganzes Leben war wunderbar, er hatte eine tolle Familie, eine tolle Frau, tolle Kinder, der Job machte ihm Spaß (bis auf manchmal, aber das ist ja normal). An diesem einen Abend sollte alles mal anders ablaufen als sonst.
    Der Mann war im Hafen aufgewachsen, auf der anderen Elbseite, alles andere als ein gutes Viertel, obwohl dort auch Anständige wohnen (seine Eltern gehörten allerdings nicht dazu). Fast von selbst steuerte der fette Volvo mit fast lautlosem Motor in die dreckige Hafengegend, in der es alte Schuppen gab, Unkraut zwischen den Betonplatten vergessener Lagerflächen und jede Menge rostigen Schrott. Das klingt fast romantisch, ist esaber nicht. Dazu stinkt es hier zu sehr nach Chemie und Scheiße. Der Mann war lange nicht hier gewesen, aber er kennt das alles länger und besser als seine schicke Wohnung auf der anderen Flussseite.
    Er will etwas knacken, einbrechen, klauen. Es soll eine Straftat sein, nicht bloß so etwas wie falsch parken.
    Ein Thriller, keine Kömödie.
    Also ab in den Sportboothafen. Zwischen all dem Schrott eine Insel mit sauberen weißen Kunststoffbooten. Gegen 16:00 Uhr Mitte April ist hier nichts los. Die Boote liegen brav und verlassen in Reih und Glied.
    Na, wer von euch soll denn heute mein Liebling werden? Das tolle Holzboot mit dem grün lackierten Deck? Nein, ich nehme lieber eines von den schnellen Plastikschüsseln
.
    Der Mann geht unruhig den Steg auf und ab. Die schwanenweiße»Poseidon« oder die anthrazitfarbene »Lucky Star«?
    Es wird die Poseidon, einen ähnlichen Bootstyp habe ich selber mal gehabt. Eine Rennyacht, 16 Meter lang, die nicht gebaut ist, um von A nach B zukommen. Sondern nur, um wie blöde zu rasen.
    Als ich an Bord springe, wird mir flau im Magen. Der Mann ist ein bürgerlicher Familienvater, und was er vorhat, ergibt keinen Sinn. Jeder kann mich sehen, es ist helllichter Tag, eine Ausrede gibt es nicht. Der Zugang zur Kajüte ist schnell geknackt. Drinnen riecht es nach kaltem Zigarettenrauch und Bier. Er zieht einen Schraubenzieher aus der Tasche und zerstört das Armaturenbrett, um an das Zündschloss zu kommen. Ich bin selber Boot gefahren. Wenn da auf See etwas passiert, musst du dir zu helfen wissen, dazu gehört auch:Der Motor ist ausgegangen, du hast den Schlüssel verloren, und ein Sturm zieht auf. Jeder sicherheitsbewusste Skipper muss wissen, wie man ein Schloss knackt (ich trug immerhin die Verantwortung für meine Kinder). Als der Motor anspringt, bollert der Sechszylinder los wie ein alter amerikanischer Straßenkreuzer. Mit kleinem Gang manövriert der Mann vorsichtig aus dem Hafen heraus. Bloß nicht umsehen, ob einer guckt. Alles sieht gut aus, aber der Magen fühlt sich an wie auf der Achterbahn. Natürlich hätte ich mir auch ein Boot mieten können, aber das wäre nicht dasselbe gewesen. Wind kommt auf, 4–5 vielleicht, kein Sturm, aber auch kein Garnichts.
    Langsam tuckert der Mann durch das Aprilwasser. Er ist wieder zu Hause. Ich kenne das Elbwasser bei jedem Licht, in jeder Jahreszeit, bei jeder Temperatur. An den Spundwänden im Kanal kann ich erkennen, wie hoch das letzte Hochwasser war und wie hoch das höchste der letzten vier Wochen. Auch die Ausrichtung der Wasserpflanzen erzählt eine Menge. Der Mann biegt ab in einen breiteren Kanal. Hier liegt ein alter, rostiger Stückgutfrachter aus Libyen, der mal hellblau angestrichen war. Auf dem Achterdeck stehen ein paar dunkelhäutige Matrosen mit schmutzigen, gelben Helmen auf dem Kopf und rauchen eine. Ich ziehe den Gashebel voll durch. Die »Poseidon« gurrt zufrieden auf, der Bug geht hoch, und das Boot schießt

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