Männer sind Helden
erinnern. Ob es nicht zutreffe, dass meine Mandantin an dem besagten Tag eine schwarze Lederjacke getragen hätte? Es also mithin für die beiden Polizeibeamten gar nicht möglich gewesen wäre, zu erkennen, ob Frau Klünner nun den Sicherheitsgurt ordnungsgemäß angelegt hatte oder nicht? Ja, da wussten die beiden auch keine Antwort drauf. Dem Richter blieb nichts anderes übrig, als meine Mandantin freizusprechen. Frau Klünner bedankte sich überschwänglich, sie war sichtbar erleichtert, das Verfahren hinter sich gebracht zu haben.
Nach solchen Terminen habe ich immer blendende Laune. Dann macht mir mein Beruf richtig Spaß. Dieses Gefühl, eine Verhandlung im Griff zu haben, wirkt bei mir wie eine Droge. Während des Studiums hatte ich immer Probleme gehabt, vor Menschen frei zu sprechen. Doch schon während meiner Referendarzeit nutzte ich jede sich bietende Gelegenheit, öffentlich meine Worte an den Mann und die Frau zu bringen. Ob auf Seminaren oder privat bei Feiern. Anfangs lief mir noch der Schweiß den Rücken runter, und meine Hände waren feucht. Wer schon einmal öffentlich eine Rede halten musste – und sei es bei dem Jubiläumsball des Sportvereins – wird wissen, wovon ich rede. Mit der Zeit verlor ich meine Hemmungen völlig, und ich lernte die Macht der Sprache kennen. Es war wie ein Spiel. Besonders Frauen kann man verbal ziemlich schnell einschüchtern. Einfachstes Mittel: ihnen ins Wort fallen oder lauter reden als sie. Ich glaube, da liegt bei den Frauen ohnehin das Hauptproblem. Sie glauben, es würde völlig ausreichen, die besseren Argumente zu haben. Man denke zum Beispiel an gewisse grüne Politikerinnen. Da sich diese Partei nun einmal die Emanzipation der Frau aufs Banner geschrieben hat, müssen die Parteigenossen ihre Damen notgedrungen auch ans Mikrophon lassen. Was dabei rauskommt, ist bestenfalls amüsant, meistens aber nur peinlich. Allein ihre weinerlichen Stimmchen. Also ich denke in solchen Momenten immer: Mädchen, warum tust du dir das eigentlich an? Warum bleibst du nicht einfach zu Hause und machst es deinem Mann kuschelig?
Das Wetter war wundervoll, also beschloss ich mir eine Stunde im Park zu gönnen. Ich kaufte mir ein La Flute mit Schafskäse, eine Dose Cola und den Spiegel . Auf einer Bank breitete ich den Proviant aus, streckte die Beine von mir und richtete mein Gesicht in Richtung Sonne. Manchmal sind es gerade die einfachen Dinge, die das Leben lebenswert machen. Ich packte mein Baguette aus und freute mich wie ein Schneekönig auf den ersten Biss. Diese Flöten von Marios Imbiss sind eindeutig die besten der Stadt – da gibt es überhaupt gar keinen Zweifel. Dazu eine eisgekühlte Cola aus der Dose, was will man mehr?
Ich ließ meinen Blick über den Stadtteich gleiten. Vor ein paar Wochen war hier ein Penner im kniehohen Wasser ertrunken, als er versuchte, ans andere Ufer zu schwimmen. Ich weiß auch nicht, warum ich plötzlich an dieses Ereignis denken musste. Ich beobachtete die Enten und Schwäne, die gemächlich ihre Bahnen zogen. Vor meinen Füßen watschelte ein kleiner Wasservogel von links nach rechts an mir vorbei. Seine Füße sahen aus wie gesprenkelte Gummihandschuhe. Keck blickte er mich an, sein Blick hatte etwas Herausforderndes. Um ihn zu besänftigen, brach ich ein paar Krümel meines Baguettes ab und warf sie ihm vor den Schnabel. Gierig pickte er sie auf, ein Auge immer auf mich gerichtet. Isabel, Isabel – der Name ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Eigentlich war sie gar nicht mein Typ, mit ihrer knabenhaften Figur und den kurzen Haaren. Trotzdem: Irgendetwas an ihr zog mich magisch an. Sicherlich war sie in festen Händen. Ich natürlich auch, aber was bedeutet das schon? Ich beschloss, erst einmal abzuwarten, ob sie sich melden würde. Schließlich hatte ich bei ihrem Arbeitgeber meine Telefonnummer hinterlegt.
6. Kapitel
Sie rief im ungünstigsten Moment an. Der Vorspann der Sportschau lief bereits. Ich schnappte gerade nach Luft und griff erregt zur Bierflasche, als das Telefon klingelte. „Grühnspahn“, nuschelte ich in die Muschel.
„Hier ist Isabel Rath. Sie haben in der Redaktion angerufen.“
„Mmmh“, für einen Moment war ich irritiert. Aber dann war ich blitzartig ganz da. „Schön, dass Sie anrufen“, sagte ich. „Ich wollte Ihnen eigentlich nur zu ihrem erstklassigen Artikel gratulieren.“
„Oh, danke!“, erwiderte sie freundlich, aber vollkommen unverbindlich.
„Ich würde Sie bei der
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