Maenner und andere Fleischwaren

unangenehme Art, immer weiter nachzubohren. Aber dieser Fall hier ist eindeutig anders, schließlich nerve ich Simon nicht mit Belanglosigkeiten.
    »Ich bin Vegetarier.«
    Ich höre, was er sagt, aber mein Gehirn weigert sich, den logischen Zusammenhang zwischen Simons Worten und der Situation herzustellen.
    »Wie bitte?«
    »Ich bin Vegetarier«, sagt er noch einmal, jetzt etwas lauter und energischer.
    »Ja, ja, habe ich verstanden.« Nein, eigentlich doch nicht. »Aber das Warum, das verstehe ich nicht.«
    »Hat sich irgendwann vor fünf Jahren so entwickelt«, antwortet Simon und mustert mich unsicher, »auf einmal hab ich einfach kein Fleisch mehr gemocht.«
    »Das meine ich nicht. Nicht, warum du Vegetarier bist. Ich meine, warum du dann jeden Tag bei mir Fleischwurst kaufst.«
    »Weil ich zu dir wollte.« Klar, er wollte zu mir. Zu mir ?
    »Ich hab dich einmal durch das Schaufenster gesehen und fand dich unheimlich süß«, erklärt Simon weiter, »und da fiel mir nichts anderes ein, als reinzugehen und was zu kaufen. Ich meine, ich hätte ja wohl schlecht nur einfach so im Laden rumstehen können, oder?« In diesem Augenblick geht mir ein ganzer Kronleuchter auf. Simon ist Vegetarier, das ist es! Und deshalb hat er auch meine Nachricht nie bekommen – er hat die Wurst ja gar nicht gegessen, sondern weggeworfen!
    »Dann hast du nie einen kleinen Brief von mir bekommen?«, frage ich trotzdem vorsichtshalber nach. Simon schüttelt den Kopf.
    »Nein, was denn für einen Brief?«
    »Ach«, winke ich ab, »ist nicht so wichtig.« Er muss schließlich nicht alles wissen. Das gilt natürlich auch für die Anzeigenaktion. Das Einzige, was zählt, ist die Tatsache, dass Simon nur wegen mir jeden Tag in die Metzgerei gekommen ist! Was will ich mehr?
    »Hast du Lust, ins Kino zu gehen? Und danach vielleicht auf einen Gemüsedrink in der ›Vegetable-Bar‹?« Die Frage geht mir fast wie von selbst über die Lippen.
    »Klar, für Kino und Gemüsedrinks bin ich immer zu haben.« Wir schlendern gemütlich Richtung U-Bahn-Station. Kurz vor dem Eingang nimmt Simon meine Hand, einfach so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
    »Was machst du eigentlich den ganzen Tag?«, will ich wissen.
    »Ich hab mich vor einem Jahr selbständig gemacht«, antwortet er, »mit einer kleinen Anwaltskanzlei.« So ein Glück kann ja auch nur wieder ich haben!
    »Und du?«, fragt er, »Machst du das in der Metzgerei immer oder nur aushilfsweise?«
    »Nein«, meine ich, »ich bin Fleischereifachverkäuferin.«

Epilo g
     
    Mittlerweile sind Simon und ich seit einem Jahr zusammen: Vor vier Monaten sind wir in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Wir sind richtig glücklich! Simon verdient mit seiner Kanzlei recht gut, noch nicht bombastisch, aber es wird langsam. Und ich habe auch einen neuen Job, der sogar noch etwas besser als der in der Metzgerei bezahlt wird. Beim Gemüsehändler. Als Gemüsefachverkäuferin, wenn es das gibt.

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