Maenner und andere Fleischwaren
haben. Liebevoll sortierte ich Wurststapel, füllte die Schüsseln mit Geflügelsalat auf, drehte Fleisch durch den Wolf, war die Herrin der Würstchen und Schnitzel. Außerdem habe ich mich von Anfang an in diesen einen Satz verliebt. »Darf’s ein bisschen mehr sein?« Das wollte ich schon immer mal sagen!
Nach einem Monat kam ich jeden Nachmittag in die Metzgerei, nach zwei Monaten auch montags und freitags vormittags, nach drei Monaten hängte ich mein Studium an den Nagel. Seitdem fühle ich mich frei. Erlöst. Geläutert.
Meine Mutter hält mich für verrückt und erzählt allen Bekannten und Verwandten, ich würde Forschungen für meine Doktorarbeit über Lebensmittelrecht anstellen. Keine Ahnung, ob es das überhaupt gibt, Lebensmittelrecht, da müsste ich mal einen Juristen fragen. Jedenfalls bringt Mutter es nicht übers Herz, auszusprechen, was ich bin: Fleischereifachverkäuferin. Jedenfalls fühle ich mich so, auch wenn ich den Beruf nicht erlernt habe. Trotzdem, wenn mich jemand fragt, was ich tue, sage ich mit stolzgeschwellter Brust: »Ich bin Fleischereifachverkäuferin.« Und Punkt. Daran ist nichts auszusetzen.
Mein Freund – besser gesagt: Ex-Freund – Michael sieht das anders. Als ich ihm meinen Entschluss, die Uni zu verlassen und nur noch in der Metzgerei zu arbeiten, mitgeteilt hatte, ließ er sich zu einer großen Geste hinreißen. »Franziska«, hatte er voller Inbrunst gesagt, »Franzi, ich liebe dich. Und wenn du meinst, dass du lieber in der Fleischerei arbeiten als dein Jurastudium beenden möchtest, dann stehe ich natürlich voll und ganz hinter dir.« Am nächsten Tag hatte er sich aus dem Staub gemacht. Genauer gesagt, er hatte sich mit Sabine Martin, ihres Zeichens Medizinstudentin, aus dem Staub gemacht. Seitdem war männertechnisch nicht mehr allzu viel passiert. Bis auf den Kunden mit der Fleischwurst. Der war süß, denke ich, während ich in der ratternden U-Bahn nach Hause gondle. Hoffentlich schmeckt ihm die Wurst, dann kommt er vielleicht wieder.
***
»Franzi, ich brauche deinen Korkenzieher.« Im Treppenhaus begrüßt mich meine Nachbarin Bettina Kirsch. Sie trägt ein tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid und Netzstrümpfe. Also wieder mal D-Day – Bettina hat vor, sich einen männlichen Körper zu sichern. Das kenne ich schon, solche Manöver leitet sie bis zu fünfmal die Woche ein, jedes Mal mit einer Flasche Chianti.
»Komm rein«, meine ich und schließe die Wohnungstür auf. »Wer ist denn diesmal dein Opfer?«, will ich wissen und krame in der obersten Küchenschublade nach dem Korkenzieher.
»Ali«, antwortet sie und spricht den Namen dabei wie eine Mischung aus 1001 Nacht und Palast der Winde aus. Aaaaliii. »Ein Halbtunesier, irre gut gebaut. Ist mir heute Nachmittag im Supermarkt einfach so in die Arme gerannt.«
»Tentakel«, meine ich.
»Wie?«
»In deine Tentakel geraten, wolltest du sagen.«
Bettina lacht nur. »Neid der Besitzlosen.« Darauf gehe ich gar nicht erst ein.
»Hier ist er«, sage ich und halte ihr den Korkenzieher unter die Nase.
»Vielen Dank, ohne den wäre ich jetzt echt aufgeschmissen. Meiner hat leider den Geist aufgegeben.«
»Materialermüdung, klare Sache.« Darauf geht Bettina jetzt nicht weiter ein.
»Ach, hast du mir den Geflügelsalat mitgebracht?«
»Ja, hab ich.« Ich hole den Salat aus meiner Tasche, die ich im Flur abgestellt habe.
»Dann will ich mal wieder los, bevor Ali sich zu sehr langweilt«, flötet Bettina und entschwindet mitsamt Salat und Korkenzieher Richtung amouröses Abenteuer.
Ich selbst sehe einem ereignislosen Abend mit Buch oder Fernseher entgegen – nicht wirklich aufregend.
Seit Bettina vor einem Jahr in die Wohnung über mir einzog, ist mir überhaupt erst richtig bewusst geworden, dass ich ein recht normales Dasein friste. Bettina hingegen hat ihr Leben zwei Passionen verschrieben: Vitaform und Männern. Tagsüber vertickt sie an essgestörte Hausfrauen Pülverchen und Tabletten, mit deren Hilfe die Traumfigur in nahezu greifbare Nähe rücken soll, abends widmet sie sich lieber Figuren, die schon so sind, wie sie sein sollen. Mit ihrer schwarzen Löwenmähne und Maßen, für die sich so manches Model auf der Stelle entleiben würde, hat sie auch nie Probleme, für Nachschub zu sorgen.
Mich stört ihr reges Liebesleben eigentlich nicht. Jedenfalls hat es mich nicht gestört, solange ich selbst noch genügend hormonellen Austausch hatte. Zugegeben, seit Michael nicht mehr kommt
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