Männer und der ganz normale Wahnsinn
gut.“
Er klang fast enttäuscht.
Ich wette, Nick würde nicht einfach so davonlaufen, dachte ich, bis mir einfiel, dass er genau das schon einmal getan hatte.
Ich blickte auf meine linke Hand und den Verlobungsring von der Größe, die einer Königin gerecht würde, und den ich seit dem Valentinstag so stolz getragen habe. Zwei Karat, Smaragd-Schliff auf einem Platin-Ring. Zur Hölle, für dieses Teil habe ich sogar extra meine Nägel wachsen lassen.
Ich weiß immer noch nicht, was ich mit dem Ring machen soll.
Aber zurück zum Telefonanruf.
„Ja“, sagte ich. „Tolle Neuigkeiten, was?“
„Verdammt“, entgegnete Nick sanft, und das Wort klang bei ihm irgendwie gar nicht wie ein Fluch. „Was ist passiert?“
Zu meinem Verdruss schossen mir schon wieder Tränen in die Augen. „Er hat eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen. Auf meinem Anrufbeantworter.“
„Machst du Witze? Mann, das ist so billig“, sagte Nick, und ich spürte, wie schon wieder Wut in mir aufstieg. Es hätte vermutlich auch gut getan, ein paar Minuten lang dieses Gefühl zuzulassen. Aber dann fiel mir wieder mein sehr bewusster Entschluss ein, den ich als Kind gefasst hatte, mich nämlich niemals von meinen Emotionen kontrollieren zu lassen, Entscheidungen nur auf Grund von Vernunft und Logik zu fällen, anstatt mich von Leidenschaft und Impulsivität leiten zu lassen.
Weil ich nicht wie meine Mutter sein wollte.
Plötzlich war ich sehr ruhig. Vielleicht lag es auch an der kühlen Brise, die durch das offene Küchenfenster hereinwehte. Aber für ein paar Sekunden spürte ich, dass alles gut werden würde, dass der Sturm zwar mein Boot ins Wanken gebracht hatte, ich es aber verhindern konnte, dass es kenterte.
Ich streckte mich und massierte meine verkrampften Nackenmuskeln. „Er wirkte aber ziemlich schuldbewusst.“ Meine Stimme klang selbst in meinen eigenen Ohren merkwürdig tonlos. „Ich meine, immerhin lässt er mich nicht auf all den Rechnungen sitzen.“
„Jesus.“
„Wie bitte?“
„Du machst mir Angst.“
„Ich mache dir Angst? Wieso?“
„Müsstest du nicht eigentlich total sauer sein und mit Gläsern um dich schmeißen?“
Ich wusste nicht, ob ich verblüfft oder beleidigt sein sollte. „Das ist ja so, als würde ich behaupten, dass alle Männer samstagnachmittags vor dem Fernseher sitzen, Fußball schauen und Bier in sich reinschütten.“
„Eben. Und?“
Ich seufzte leise. „Greg jedenfalls hat das nicht getan.“
„Nein, er hat dich nur ohne Erklärung vor dem Altar sitzen lassen.“
Ich runzelte die Stirn. Aber nur ein klein wenig. „Aber er hat gesagt …“
„Es interessiert mich überhaupt nicht, was er gesagt hat. Dieser Typ hatte nicht mal genug Mumm, es dir ins Gesicht zu sagen. Er hat dich wie den letzten Dreck behandelt, Ginger. Genauso wie ich damals, als ich dich eigentlich hätte anrufen sollen … du weißt schon. Nach Paulas Hochzeit. Aber das habe ich nicht. Und obwohl ich erst einundzwanzig war und nur mit halbem Hirn funktionierte, macht mich das trotzdem zu einem miesen Typen, womit ich übrigens leben kann. Doch was dieser Kerl dir angetan hat … verdammt! Warum bist du nicht total wütend?“
„Weil Wut kontraproduktiv ist …“
„Was für ein Blödsinn. Alles in sich hineinzufressen ist ungesund.“
„Dann darfst du auf keinen Fall zuhören, wenn sie dich bei der Polizei in Anti-Aggressions-Seminare schicken, wo man lernt, seine Wut zu kontrollieren“, rief ich und spürte, dass meine Wangen rot wurden. Was zum Teufel bildete sich dieser Typ eigentlich ein?
„Kontrollieren ist nicht das Gleiche wie in sich hineinfressen.“
„Wo wir gerade von hineinfressen sprechen …“
„Ich wette, du trägst sogar noch den Verlobungsring.“
„Das geht dich überhaupt nichts …“
„Nimm ihn ab, Ginger. Jetzt.“
Genau in diesem Augenblick, als ich mir mit der Hand durchs Gesicht fuhr, zerkratze ich mir die Nase an einem Zacken des Steins – wenn Sie es genau wissen wollen: Das ist mir mindestens ein Mal pro Tag passiert, seit ich dieses verdammte Teil übergestreift habe. Jetzt reichte es mir. Ich riss den Ring vom Finger und schleuderte ihn gegen die Küchenwand. Der Knall war überraschend laut. Und befreiend.
„Ist er ab?“ fragte Nick.
„Ich hoffe, du bist alleine“, gab ich zurück und unterdrückte den Wunsch, noch einmal meine Kochbücher zu durchforsten, bevor die Kakerlaken sie wegschleppten. (Ja, wir haben Kakerlaken auf der
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