Männer und der ganz normale Wahnsinn
nicht – bis zu dem Tag, als meine Nonna nach Großvaters Tod bei uns einzog, wusste ich nicht einmal, dass man ein Bett überhaupt machen kann. Aber sie muss nur einen Blick in meine Wohnung werfen, um zu wissen, dass ich im Moment nicht alles unter Kontrolle habe.
Mir bleibt keine Wahl.
Natürlich erschlafft sofort jeder einzelne Muskel, und in diesem Zustand wäre ich womöglich ewig verharrt, wenn es nicht an der Tür geklingelt hätte. Ich presse ein einziges allumfassendes Schimpfwort heraus und zwinge mich, zur Tür zu gehen. Offenbar ist es Nedra gelungen, den einzigen Taxifahrer in New York zu finden, der sich nicht verfährt.
Ich schiele durch den Spion und stoße einen Freudenschrei aus. Als ich die Tür aufreiße, erschallt vom anderen Ende des Gangs Verdi, während Alyssa, die zwölfjährige Tochter von Ted, zu mir hoch grinst, ein Etwas aus Beinen und Zahnspange, seidigem honigfarbenem Haar und großen grünen Augen. Dankbar, dass es sich nicht um meine Mutter handelt, ist mir jetzt sogar meine Pudelfrisur egal, genauso wie die Tatsache, dass die Schokoladenflecken auf meinem Pyjama genau zwischen den Brüsten betonen, dass ich keinen BH trage. Nicht dass Ted das interessieren würde, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ein gutes Beispiel für Alyssa abgebe.
Trotzdem grinse ich zurück, spüre aber ein verdächtiges Zittern um meine Mundwinkel. Alyssa ist meine Freundin, ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft ich auf sie aufgepasst habe, seit Ted vor vier Jahren das Sorgerecht bekommen hat, was selbst heutzutage für einen schwulen Mann nicht üblich ist. Im letzten Jahr hat sie angefangen, sich für Jungs zu interessieren, also ungefähr zur gleichen Zeit wie ihr Vater. Sie wissen ja, wie das ist: Es ist immer einfacher, über so was mit jemandem zu reden, der nicht zur Familie gehört …
Jetzt erst bemerke ich, dass sie ein Tablett mit Keksen umklammert hält. Oh ja – langsam wird der Tag doch noch besser.
„Wir haben uns schon Sorgen gemacht, weil du deine Wohnung nicht verlassen hast“, sagt ihr Vater jetzt, als er hinter seiner Tochter auftaucht. Ich erblicke ein ausgebleichtes, navyfarbenes T-Shirt über einem kräftigen Oberkörper, behaarte Beine lugen aus den Shorts hervor – das typische Sommeroutfit eines freiberuflichen Schreibers also. Nussfarbene Augen sehen mich sehr besorgt an. Er starrt meine nicht gerade vorzeigbare Gestalt an. „Ich hoffe, du hast nicht länger als zehn Minuten gebraucht, um diesen Look hinzubekommen, denn Süße, glaub mir, er steht dir nicht.“
Meine Aufmerksamkeit will sich am liebsten auf die Kekse richten, doch dann erinnere ich mich wieder an die Gefahr, in der ich mich befinde. „Oh Gott. Meine Mutter ist auf dem Weg hierher. In einem Taxi.“
Ted betrachtet mich und blickt dann über meine Schulter in meine Wohnung. Ich schwöre, dass er erbleicht. Auch er kennt meine Mutter. „Verstehe. Wir sind gleich da.“
„Oh nein, du musst nicht …“
Ted wirft mir einen Blick zu, der keine Widerrede duldet, und sagt: „Al, hol doch mal schnell die Mülltüten. Und bring auch gleich noch Randall mit.“
In dem Wissen, dass nun die Kavallerie auf dem Weg ist, werde ich endlich aus meiner Lethargie gerissen und gehe zurück in meine Wohnung, wo ich fast ausflippe. Wo kommt nur dieser ganze Müll her? Habe ich wirklich so viele Zeitschriften abonniert? Und seit wann habe ich so viel Geschirr? Und wo soll ich das alles verstauen?
Ich packe das Hochzeitskleid und führe damit einen bizarren Tanz auf – auf keinen Fall wird dieses Teil in einen meiner Schränke passen, und die einzige Tür, hinter der ich es einigermaßen vernünftig verstecken könnte, führt direkt ins Badezimmer. In dem ich mich eigentlich gerade aufhalten sollte …
Randall, Teds Liebhaber, dieser glatzköpfige, muskulöse, schwarz gekleidete Typ, kommt durch die offene Tür herein und kriegt einen heftigen Lachanfall. Er trägt Dockers-Hosen, ein Hemd von Blue Oxford>no>, eine gestreifte Krawatte und Slipper. Und einen Diamantohrring. „Himmel, Frau – hast du eine Orgie gefeiert oder was?“
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Ted und Alyssa zurückgekommen sind. Zu meiner größten Erleichterung hat sie die Kekse noch immer bei sich und stellt sie auf der Küchentheke ab.
„Ich weiß auch nicht“, sage ich. „Ich meine, nein. Ich meine, ich weiß nicht, wie die Wohnung in diesen Zustand gekommen ist. Sind die für mich?“ beende ich den Satz mit einem
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