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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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ist wieder da«, sagte Leo. »unser Freund, Herr Hunger.«
    »Fleischbeschau«, brummte Luke.
    »Beweg dich nicht!«
    »O Gott, ich zerfließe ohnedies. Ich denke nicht dran, mich zu bewegen.«
    Der Aasgeier betrachtete uns verzückt – er erinnerte mich an einen Trapezkünstler, der auf Applaus wartet. Das Dach krachte unter dem Gluthauch der Sonne. Der Holzbau bestand aus vorfabrizierten Teilen. Drinnen befanden sich eine große Bar, für uns alle – in so einem Camp gibt es keine sozialen Unterschiede –, und drei Schlafzimmer für die Vorgesetzten. Die Zentralamerikanische Erdöl AG hatte ihn irgendwann und irgendwo ausgerissen – vielleicht in Venezuela oder in Libyen oder in Kuwait – und hier wieder hingesetzt wie eine widerstandsfähige Pflanze. Er hatte die interessante Geschichte eines Zirkuswagens. Wir nannten ihn Rockefeller-Hotel.
    Dann hörte ich, wie Luke sanft zu Leo sagte: »Weißt du eigentlich, daß nach dem großen Ätna-Ausbruch die Dorfbewohner – die ihn überlebt hatten – auf die Felder gingen und schamlos kopulierten?«
    Schon wieder waren sie bei diesem Thema! Wie Mücken, die man vergeblich abwehrt. »Einsamkeit und Anstrengung«, fuhr Luke fort, »treiben Männer geradewegs zum sexuellen Überlaufen.« Ach, wären sie nur endlich still, wünschte ich mir. Wenn sie nicht aufhören, muß ich hineingehen. Harry sah gequält drein. Sie beobachteten ihn hinterhältig, sie warteten, daß er etwas sagte. »Das Tier sitzt uns knapp unter der Haut«, fuhr Luke fort. »Wenn ich an mich denk’, nach meinem ersten Gefecht …«
    Leo gähnte. »Laß das! Ich interessier’ mich nicht für deine Erlebnisse in den Napoleonischen Kriegen!«
    Ich sah zu Harry hinüber und dachte: Jetzt wollen sie ihn mit Späßen ködern.
    »Ich muß nicht reden, ich kann ja auch den Brief an meine Frau weiterschreiben«, sagte Luke.
    »Welcher Frau schreibst du?«
    »Der legalen.«
    »Ach der? Ich dachte, du hättest sie fünfzehn Jahre nicht gesehen.«
    »Stimmt. Wir verkehren nur geistig, durch Briefe.«
    »Das scheint mir eine sehr hygienische Ehe.«
    Luke kicherte. »Sie nützt sich nicht ab.«
    Dachstroh raschelte zu Boden, als sich der Aasgeier abstieß.
    Vielleicht tat ihm endlich der Hals weh? Er flog davon und kreischte spöttisch.
     
    Ungeduldig sagte Leo zu Luke: »Willst du jetzt mit mir reden oder weiterschreiben?«
    »Laß mich noch etwas aufschreiben, bevor ich’s vergesse.«
    »Was, um Himmels willen, mußt du einer Frau, die du fünfzehn Jahre nicht gesehen hast, noch sagen?«
    »Briefe zu schreiben verkürzt die Zeit.«
    »Vier Briefe in der Woche?«
    »Fünf, wenn ich mich einsam fühle. Was soll in einem so gesunden Lager der Arzt schon tun?«
    Immer noch beobachteten sie Harry, ein wenig verwundert, vielleicht auch ein wenig traurig, weil er nicht auf sie einging. Armer Harry! Es gehörte zu seinem Beruf, sich zu panzern. In diesem Loch hier mitten im Urwald war er der Vizekönig des Unternehmens, das sich nur für den Fortgang der Arbeit interessierte, nicht aber für die physische Harmonie der Männer.
    Leo versuchte es nochmals bei Luke. »Was sagtest du vorhin? Nach deinem ersten Gefecht …?«
    »Nicht als Napoleons Soldat!«
    »Ein Spaß nur, ich meinte es nicht so.«
    »Es war in Spanien. Ich, mit Gleichgesinnten, wir kämpften gegen Franco.«
    »Jesus! Bist du schon so alt?«
    »Ich fühlte mich damals noch älter«, sagte Luke. »Wir kamen nach Segovia« – es hörte sich an, als schwelgte einer von Shakespeares Bogenschützen in Erinnerungen an Agincourt –, »verlaust, wir stanken nach Dreck, der nach Toten stank. Da sah ich mich plötzlich mit dreißig anderen vor einem Bordell angestellt, sah mich warten, bis ich bei einer dieser Matratzen an die Reihe komme. Bis dahin nämlich hatte ich mich immer für einen kultivierten Mann mit Geschmack gehalten, aber damals schien mir das alles vollkommen natürlich und richtig.«
    »Ich war in der Wüste«, erinnerte sich Leo. »Der Sand roch nicht nach Toten.«
    »Da hattest du Glück, du warst in einem hygienischen Krieg.«
    »Auch wußten die Briten ihr heißes Blut zu beherrschen. Freilich, dafür gab es ja immer noch Alexandria …«
    Nach einer Pause sagte Luke: »Ein Alexandria gibt es ja auch hier.«
    »So?«
    »Du könntest ja ab und zu nach San Juacinta ausreißen?«
    »Nein«, erklärte Leo. »Kameraden hintergeht man nicht. Sie darben hier. Nicht alle können nach San Juacinta.«
    »Ja, ja, das ist wirklich schlimm.«
    Ich

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