Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
Vom Netzwerk:
Darin gibt es Fische, die Pirayas, die einem das Fleisch bis auf die Knochen abfressen, wenn man ins Wasser geht.« Eleanor nämlich liebte derlei pittoreske Details. »Diese Gegend hier ist nichts für Zimperliche. Ihre Reiseprospekte bieten nur Schweiß und stumpfe Einsamkeit und die Hoffnung auf Erdöl.«
    Der Oberst ging zum Fenster und zeigte dem Ankläger den Rücken. Der Vizepräsident folgte ihm nach. »Der wird ewig reden«, sagte er betreten.
    »Nein. Nur noch zwei Minuten.«
    »Ich weiß nicht einmal, was er sagt.«
    »Er auch nicht.«
    »Können Sie ihn nicht zum Schweigen bringen?«
    »Er ist jung. Er glaubt, dieser Fall wird ihm eine Beförderung einbringen.«
    »Wie er den Mund voll nimmt!«
    »Lassen Sie ihn! Er wird noch daran ersticken.«
    »Ich muß noch heute abend nach Miami zurückfliegen.« Der Vizepräsident sah dem Oberst ins Gesicht und sagte leicht durchschaubar: »Wenn wir die Sache rasch erledigen könnten …« Wie Blütenstaub hingen seine Worte in der Luft. Der Oberst überlegte: Der möchte wissen, ob es gefährlich ist, mir zu wenig zu bieten. Gewiß, es ist gefährlich, denn ich bin Offizier und Gentleman. Weniger als vierzehn Tage Miami plus Cadillac würden mich beleidigen.
    »Keine Sorge, Senhor«, versicherte ihm der Oberst. »Ich habe eine schöne Frau zu Hause, die sich nach mir sehnt. Heute abend sind wir hier fertig.«
    Er starrte durch das Fenster auf das Camp. Aus den Bäumen flitzten Aras hervor und wieder zurück. Und aus dem Urwald summte es wie eine kleine Fabrik: Die Hälfte aller Insekten muß da drinnen sein, dachte er. Ein hohes Stahlgerüst – wie nennen sie es doch? –, ein Bohrturm, dem Wachtturm eines Konzentrationslagers ähnlich, verlegte den Ausblick. Der hat ein gräßliches Gemetzel gesehen! Das Hauptgebäude sah wie nach einem Fliegerangriff aus, Dach und Seitenwände waren verbrannt, die Türen hingen herab wie welke Blätter vom Baum. Der gitterförmige Sendemast war geknickt. Zwei Bulldozer standen einsam herum wie Panzerwagen, die man im Gefecht hatte aufgeben müssen. Nun, eine Art Gefecht hatte es ja tatsächlich hier gegeben, dachte der Oberst.
    Dann setzte er im Geist seinen Brief wieder fort: »Wieso konnte so Gräßliches geschehen? Wie begann es? Ich muß es herausbekommen, unbedingt. Fünfundsechzig Männer werden – ohne ersichtlichen Grund – zu Berserkern. Sieben schlachten sie ab, einen Priester kreuzigen sie an diesem grausigen Turm. Du wirst es nicht glauben, aber es ist wahr. Irgend etwas in dieser stinkenden Garküche hier – nicht nur Hitze und Moskitos waren daran schuld – hat sie überschnappen lassen. Was aber? Der Vizepräsident neben mir möchte es lieber nicht hören. Große Mineralölgesellschaften sind sensibel, was ihren Ruf betrifft. Unangenehmes muß totgeschwiegen werden wie eine verpfuschte Operation, da will der Chirurg auch nicht, daß sein Name in die Zeitung kommt. Nun, warten wir ab! Mich beginnt die Sache zu faszinieren. Dein wißbegieriger Mann ist unverbesserlich, liebste Eleanor. Ich muß es herauskriegen!«
    Männer hockten teilnahmslos in Gruppen auf dem versengten Gras. Sie erinnerten den Obersten an Männer mit Bombenneurose, besser gesagt, sie hätten ihn erinnert, wäre die Galerie seiner Orden in einem Krieg erworben worden. Sie sprachen fast nichts. Einer von ihnen fiel dem Obersten besonders auf, er saß allein, von allen gemieden, als hätte er den Aussatz.
    »Er sitzt da wie Lazarus«, fuhr der Oberst in jenem merkwürdigen Brief an seine Frau fort, »der eben dem Grab entstiegen ist und sich nun Würmer vom Leichentuch zupft. Du wirst sagen: Ein scheußlicher Vergleich. Aber er stimmt. Denn die Männer lehnen es sichtlich ab, diesen auferstandenen Toten zu beachten.«
    Unvermutet wandte er sich an den Vizepräsidenten: »Dieser Mann da draußen …«, sagte er und zeigte hinüber.
    »Sie meinen Harry Somers?«
    »Ja, den Camp-Boß. Was geschieht mit ihm?«
    Der Vizepräsident zog ein blütenweißes gestärktes Sacktuch heraus und wischte sich mit dem Schweiß jeden Ausdruck vom Gesicht. Wie reinlich ist doch dieser Gringo! sagte sich der Oberst. Ein paar vornehme Klubs haben sie dort in Nordamerika, stille, friedliche Klubs, wo man nur den Börsenticker hört. Ach, sieh dir doch das raschelnde Sacktuch an, wirklich prächtig!
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Vizepräsident nach einer Pause.
    »Werden Sie ihn in Ihrem Unternehmen behalten?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, was ich glaube?

Weitere Kostenlose Bücher