Maenner wie Tiger
entsprechenden Abstand benötigen. Schaffen wir es nicht, muß ich anderseits zum Niedergehen bereit sein. Doch wir zogen hoch. Ich wußte: Wir schaffen es, auch mit nur drei Motoren! Schlecht gelaunt, konnte die Maschine eine widerliche alte Kiste sein. Aber diesmal zog sie nicht nach unten, was sie gern tat, wenn sie schwer beladen war. Sie brummte gehorsam und brav dahin, und wir gewannen Höhe. Unter mir konnte ich den Lastwagen sehen, der im Zickzack dahinraste und die Ölfässer wegstieß. Ich zog das Fahrgestell ein und dachte: Schon gut, Miguel, genug jetzt, steig aus und lauf in den Wald, versteck dich! Ich hatte noch nicht zu Ende gedacht, da stieß er gegen das Faß, das explodierte. Eine einzige riesige Flammenzunge leckte empor. Es muß Kerosin gewesen sein, das den Lastwagen überspülte und mit orangegelber Flamme verhüllte. Wir überflogen das Feuer so rasch, als wischte man mit dem Finger über eine brennende Kerze. Ich glaubte den Gestank verbrannten Gummis und schmelzenden Metalls verspüren zu können.
Hitze schlug gegen unser Fahrgestell, und die Maschine erbebte. Die Gummireifen mußten geplatzt sein. Sie schien seitlich abzukippen, die Motoren wirbelten Staub auf und sprühten wie Feuerräder, so flogen die Funken. Doch dann fing sie sich, fand ihr Gleichgewicht und gewann wieder Höhe. Nicht alle Wunder geschehen nur in der Bibel. In meinem Mund schmeckte es nach gelöschtem Kalk.
Ich fragte mich, ob Miguel rechtzeitig ausgestiegen sei. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und ich wünschte mir: Lieber Gott, laß ihn heraus, ob zu früh oder zu spät, aber laß ihn heraus!« (In solchen Situationen betet der Mensch doch, sagte sich der Oberst.)
»Wir flogen höher und höher und drehten im Kreis zurück. Unten sah ich das Feuer wüten, sah jedoch keine Spur von Miguel. Das Fahrerhaus war zusammengedrückt wie eine Ziehharmonika und glühendheiß wie ein Hochofen. Da wußte ich: Miguel war umgekommen. Hoffentlich war es schnell gewesen für ihn, für Miguel, den lieben, guten Jungen.
Ich überflog das Camp, sah die Männer zum brennenden Lastwagen strömen, und ich überflog den Bohrturm, möglichst niedrig, weil ich hoffte, auf der Plattform jemanden zu sehen, aber ich sah niemanden. Auch die waren umgekommen. Nur die Bulldozer sah ich, die jetzt stillstanden, und Fackeln und dunkle Flecken im Gras, die eine Sinnestäuschung sein mochten. Aber wahrscheinlich waren sie etwas anderes.
Luke! dachte ich im stillen. Er hat es für uns getan. Auch für sich getan. Leb wohl, Leo! Leb wohl, Charley! Leb wohl, Pater Luis – ja, auch du! Hoffentlich legt er im Himmel ein gutes Wort für sie ein. Seine Art zu reden war zornig, doch vertrauenswürdig.«
Der Oberst warf einen flüchtigen Blick auf den Schriftführer. Schau dir diesen Idioten an! sagte er sich. Nicht ein Wort von all dem hat er aufgeschrieben. Erwach aus deiner Trance! Er versetzte ihm unter dem Tisch einen kräftigen Tritt.
»Ich wollte es nicht riskieren, mit drei Motoren übers Gebirge bis nach San Juacinta zu fliegen«, fuhr Harry fort. »Statt dessen flog ich über den Wald nordwärts, nach Los Muzon. Ich wußte, dort gibt es eine nicht mehr benützte Schlackenbahn. Auf der landeten wir im Dunkeln, kratzten mit unserm beschädigten Fahrgestell auf, drehten uns zweimal um die eigene Achse, ließen Funken wie ein altmodisches Feuerzeug und schossen über die Piste hinaus ins Gras. Aber wir fingen nicht Feuer.« Nichts mehr konnte uns passieren. Zu viel war schon passiert, alles, was passieren kann, das ganze Repertoire, war aufgebraucht.«
»Und dann?«
»Es war spät, und wir gingen stadtwärts, sofern man Los Muzon als Stadt bezeichnen kann, gingen etwa eineinhalb Meilen, Dolores barfuß, weil sie irgendwo einen Schuh verloren hatte.«
Frag im Himmel oben nach, bei Charley, der hatte ihn zuletzt, dachte der Oberst. Dabei beobachtete er Harrys Augen, über die sich ermattet die Lider senkten. Von jetzt ab wird er weniger offenherzig sein, wird er verschweigen.
»Und dann?«
»Wir weckten den patrón eines Hotels, und der ließ uns ein, stellte keine Fragen, er sah ja Geld, und ich buchte zwei Zimmer, eines für mich, eines für die Mädchen.«
»Und dann?«
»Ging ich schlafen.«
»Ist das alles?«
»Ja«, sagte Harry, und der Oberst dachte: Nein, das ist nicht alles, bestimmt nicht alles. Er heftete die Augen auf das braune, verschlossene Gesicht, das mit einemmal steinern geworden war. Meine Phantasie, mein Freund, war
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