Maennerschlussverkauf - Roman
Leonie gefeuert hat, um dich zu holen, hat dreißig Prozent bei Louis Vuitton bekommen, und zwar für uns alle! Die meisten Kollegen sind verdammt sauer, dass sie weg ist, und ich sage es nicht gerne, aber nicht wenige geben dir die Schuld dafür. Außerdem bist du die beste Freundin von einer der Chefinnen hier, das heißt, du wirst sowieso schon mal gehasst. Das ist dir doch klar, oder?«
Ich spüre, wie sich meine Augen weiten, und schlucke geräuschvoll.
So hatte ich mir den Beginn meines neuen Lebens nicht vorgestellt! Gerade erst hat mich mein Fast-Ehemann betrogen, ich musste meine Hochzeit absagen, habe keine Wohnung mehr, und meine Mutter hasst mich. Warum muss dieser Mascara-Gott jetzt auch noch so fies zu mir sein? Außerdem hat Leonie meinetwegen überhaupt niemanden gefeuert. Was kann ich denn dafür, dass diese Fremdgeherin mit jedem zweitklassigen deutschen Promi auf Kriegsfuß stand? Das ist alles einfach nur gemein! Ich spüre, wie meine Unterlippe anfängt zu beben, und sage erst mal gar nichts mehr.
Manuel ist das Beben auch nicht entgangen, und anscheinend möchte er um jeden Preis verhindern, dass ich gleich vor seinen Augen in Tränen ausbreche. »Vielleicht wenigstens Burberry?«, fragt er deswegen nun mit einem leisen Schimmer von Hoffnung in der Stimme und mustert meinen Trenchcoat.
»Nein«, piepse ich, »leider nicht«, und möchte augenblicklich so laut weinen, wie es mir in diesem Moment zusteht. Da kommt mir ein rettender Einfall. »Aber ich kenne den ehemaligen Leiter der Rechtsabteilung von Esprit«, will ich gerade sagen, doch dann fällt mir ein, dass dieser Mensch ein Kontakt von Marcel war, und als ich Manuels mitleidiges Kopfschütteln bemerke, verstumme ich lieber sowieso ganz schnell.
»Na ja, macht nichts. Wie auch immer, die Chefin will dich nachher sicher kennenlernen, und vorher solltest du dringend was anderes anziehen. Du müffelst ja bis zum Himmel!«, wechselt er abrupt das Thema.
Mist, ich habe gehofft, dass durch den Schlag auf die Nase kurzfristig seine Geruchsnerven außer Gefecht gesetzt worden seien, aber offenbar ist dies nicht der Fall.
Mit einem eleganten Hüftschwung dreht Manuel sich hundertachtzig Grad um die eigene Achse und stöckelt davon (obwohl er Chucks trägt, wirkt es, als würde er auf zwanzig Zentimeter hohen Highheels durch den Raum stolzieren). Für mich die erste Gelegenheit, mich genauer in der Redaktion umzuschauen. In dem riesigen Raum verteilt stehen etliche Inseln aus je vier Designerschreibtischen aus weißem Lack, auf deren Mitte wiederum je ein weißer Apple-Bildschirm thront. Überall wuseln hektische Menschen in augenscheinlich sehr teuren Klamotten herum (wie sie sich diese trotz des mickrigen Gehalts – ich dachte erst, Leonie mache einen Scherz – leisten können, weiß ich jetzt ja) und kreischen aufgeregt durcheinander. Es ist ein bisschen so, wie ich es mir immer an der Börse vorgestellt habe, nur dass hier niemand Anzug trägt und statt Aktien die neuesten Fremdgehgerüchte über David Beckham gehandelt werden.
Über all dem Chaos thront unterhalb der Decke ein riesiger giftgrüner Schriftzug: » Flash! – Das Glamourmagazin der Stars, Marken und Trends von morgen.« Er taucht die umliegenden Schreibtische dank seines grünen Neonscheins in ein gespenstisches Leichenhallenlicht. Ob ich hier wirklich richtig bin? Ich meine, eigentlich sollte ich gerade an einem weißen Karibikstrand mit Marcel Champagner schlürfen, wenn da nicht die Couch und das Flittchen …
Während niemand der Anwesenden mich beachtet und ich tiefer und tiefer in Selbstmitleid versinke, versuche ich aufs Neue die Tränen irgendwie in ihre blöden Kanäle zurückzuschicken.
Da steht mit einem Mal wieder Manuel vor mir und wirft mir ein staubiges, verschweißtes Päckchen in den Schoß. »Komm mit, Sweety!«, trällert er nun schon wesentlich freundlicher, und während ich mir verstohlen eine hartnäckige Träne aus dem Augenwinkel wische, bugsiert er mich in Richtung Damentoilette.
Erleichtert darüber, erst einmal von dem Designerschreibtischwald und seinen Bewohnern wegzukommen, folge ich ihm brav und drücke mir das Päckchen vor die Brust. Wir gehen durch nicht enden wollende weiße Gänge mit schweren Glastüren, die Manuel mit einer Zauberchipkarte öffnet, und gehen schließlich durch einen grellgrün gestrichenen Flur. Mittlerweile habe ich komplett die Orientierung verloren und fühle mich ein bisschen wie Alice im Wunderland, nur dass
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