Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Maerchen Fuer Kinder

Titel: Maerchen Fuer Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen
Vom Netzwerk:
Dienste leisten. Ein neues Gedicht, »Die Brille der Muhme«, wurde vorgetragen. Das war eine Brille, wenn man diese aufgesetzt hatte und vor einer großen Versammlung von Menschen saß, so sahen die Menschen wie Karten aus, und man konnte aus diesen alles, was im kommenden Jahre geschehen werde, prophezeihen.
    Der Gedanke beschäftigte ihn, er hätte wohl eine solche Brille haben mögen; wenn man sie richtig gebrauchte, könnte man vielleicht den Leuten gerade in die Herzen hineinschauen, das wäre eigentlich noch hübscher, meinte er, als zu sehen, was im nächsten Jahre geschehen werde, denn das bekomme man doch zu wissen, das andere dagegen nie. »Ich denke mir nun die ganze Reihe von Herren und Damen auf der ersten Bank, – könnte man ihnen gerade in das Herz sehen, ja, da müßte eine Öffnung, eine Art von Laden sein; wie sollten meine Augen im Laden herumschweifen! Bei jener Dame dort würde ich sicher einen großen Modehandel finden, bei dieser da ist der Laden leer, doch würde es ihm nicht schaden, gereinigt zu werden. Würden da auch gute Läden sein? Ach ja,« seufzte er, »ich kenne einen, in dem ist alles gut, aber da ist schon ein Diener darin, das ist das einzige Übel im ganzen Laden! Aus dem einen und dem andern würde es schallen: Treten Sie gefälligst näher! Ja, könnte ich nur wie ein kleiner, niedlicher Gedanke hineinschlüpfen!«
    Sieh, das war das Stichwort für die Galoschen, der junge Mann schrumpfte zusammen, und eine höchst ungewöhnliche Reise begann mitten durch die Herzen der vordersten Reihe der Zuschauer. Das erste Herz, durch welches er kam, war das einer Dame; doch glaubte er augenblicklich in einer Heilanstalt, in dem Zimmer zu sein, wo die Gipsabgüsse der verwachsenen Glieder an den Wänden hängen; nur war hier der Unterschied der, daß sie in der Anstalt genommen werden, wenn der Kranke hineinkommt, aber hier im Herzen waren sie genommen, und aufbewahrt, indem die guten Personen hinausgegangen waren. Es waren Abgüsse von Freundinnen, deren körperliche und geistige Fehler hier aufbewahrt wurden.
    Schnell war er in einem andern Herzen, aber dieses erschien ihm wie eine große Kirche. Die weiße Taube der Unschuld flatterte über dem Altar; wie gern wäre er auf die Knie niedergesunken! Aber fort mußte er, in das nächste Herz hinein, doch hörte er noch die Orgeltöne, und er selbst kam sich vor, als wäre er ein neuer und besserer Mensch geworden, er fühlte sich nicht unwürdig, das nächste Heiligtum zu betreten, welches ihm eine ärmliche Dachkammer mit einer kranken Mutter zeigte. Durch das offene Fenster strahlte Gottes warme Sonne, herrliche Rosen nickten von dem kleinen Holzkasten auf dem Dache, und zwei himmelblaue Vögel sangen von kindlicher Freude, während die kranke Mutter um Segen für die Tochter flehte.
    Nun kroch er auf Händen und Füßen durch einen überfüllten Fleischerladen, das war Fleisch und nur Fleisch, worauf er stieß, das war das Herz in einem reichen, geachteten Manne, dessen Name allgemein bekannt ist.
    Nun war er in dem Herzen der Gemahlin desselben, das war ein alter, verfallener Taubenschlag. Das Bild des Mannes wurde als Wetterfahne benutzt, diese stand in Verbindung mit den Thüren, und so gingen diese auf und zu, so wie der Mann sich drehte.
    Darauf kam er in ein Spiegelzimmer, aber die Spiegel vergrößerten in einem unglaublichen Grade. Mitten auf dem Fußboden saß wie ein Dalailama das unbedeutende Ich der Person, erstaunt seine eigene Größe zu betrachten.
    Hierauf glaubte er sich in eine enge Nadelbüchse voller spitzer Nadeln versetzt zu sehen, er mußte denken: »Das ist sicher das Herz einer alten unverheirateten Jungfrau!« Aber das war nicht der Fall, das war ein ganz junger Krieger mit mehreren Orden, von dem man sagte: ein Mann von Geist und Herz.
    Ganz betäubt kam der arme Mann aus dem letzten Herzen in der Reihe, er vermochte seine Gedanken nicht zu ordnen, sondern meinte, daß seine allzustarke Einbildungskraft mit ihm durchgegangen sei.
    »Mein Gott,« seufzte er, »ich habe gewiß Anlage, verrückt zu werden. Hier drinnen ist es auch unverzeihlich heiß, das Blut steigt mir zu Kopfe!« Und nun erinnerte er sich der großen Begebenheit des vorhergehenden Abends, wie sein Kopf zwischen den Eisenstäben des Hospitals festgesessen hatte. »Da habe ich es gewiß bekommen!« meinte er. »Ich muß bei Zeiten etwas dazu thun. Ein russisches Bad könnte recht gut sein. Läge ich nur erst auf dem höchsten Brette!«
    Und

Weitere Kostenlose Bücher