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Maerchen Fuer Kinder

Titel: Maerchen Fuer Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen
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Jungen sangen Lieder, aber die Alten erzählten Märchen von Kobolden und bösen Zauberern. Besser konnte es nirgends sein.
    »Hier ist es schön im Winter!« sagte das kleine Mädchen, und alle Bäume waren mit Reif bedeckt, sodaß sie wie weiße Korallen aussahen, der Schnee knarrte unter den Füßen, als hätte man immer neue Stiefel an, und vom Himmel fiel eine Sternschnuppe nach der andern. Im Zimmer wurde der Weihnachtsbaum angezündet, da gab es Geschenke und gute Laune; auf dem Lande ertönte in der Bauernstube die Violine, um Äpfelschnitte wurde gespielt; selbst das ärmste Kind sagte: »Es ist doch schön im Winter!«
    Ja, es war schön; und das kleine Mädchen zeigte dem Knaben alles, und immer duftete der Fliederbaum und immer wehte die rote Flagge, unter welcher der alte Seemann gesegelt hatte.
    Der Knabe wurde zum Jüngling und sollte in die weite Welt hinaus, weit fort nach den warmen Ländern, wo der Kaffee wächst; aber beim Abschied nahm das kleine Mädchen eine Fliederblume von ihrer Brust und gab sie ihm aufzubewahren. Sie wurde sorgfältig in das Gesangbuch gelegt, und im fremden Lande, wenn er das Buch öffnete, geschah es immer an der Stelle, wo die Erinnerungsblume lag, und je mehr er dieselbe betrachtete, desto frischer wurde sie, sodaß er gleichsam einen Duft von den heimatlichen Wäldern einatmete, und deutlich erblickte er das kleine Mädchen, wie sie mit ihren klaren, blauen Augen zwischen den Blumenblättern hervorsah, und dann flüsterte: »Hier ist es schön im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter!« und Hunderte von Bildern glitten durch seine Gedanken.
    So verstrichen viele Jahre, und er war nun ein alter Mann und saß mit seiner alten Frau unter einem blühenden Fliederbaume. Sie hielten einander an den Händen, wie der Urgroßvater und die Urgroßmutter es draußen gethan hatten, und sie sprachen ebenso wie diese von den alten Zeiten und von der goldenen Hochzeit. Das kleine Mädchen mit den blauen Augen und mit den Fliederblumen im Haar saß oben im Baum, nickte beiden zu und sagte: »Heute ist der goldene Hochzeitstag!« Dann nahm sie zwei Blumen aus ihrem Kranze, küßte sie, und sie glänzten zuerst wie Silber, dann wie Gold, und als sie diese auf die Häupter der Alten legte, wurde jede Blume zu einer Goldkrone. Da saßen sie beide, einem König und einer Königin gleich, unter dem duftenden Baume, der ganz und gar wie ein Fliederbaum aussah, und er erzählte seiner alten Frau die Geschichte von dem Fliedermütterchen, so wie sie ihm erzählt worden war, als er noch ein kleiner Knabe gewesen, und sie meinten beide, daß die Geschichte vieles enthalte, was ihrer eigenen gleiche, und das was ähnlich war, gefiel ihnen am besten.
    »Ja, so ist es!« sagte das kleine Mädchen im Baum. »Einige nennen mich Fliedermütterchen, andere nennen mich Dryade, aber eigentlich heiße ich Erinnerung; ich bin es, die im Baume sitzt, welcher wächst und wächst, ich kann zurückdenken, ich kann erzählen! Laß sehen, ob Du Deine Blume noch hast.«
    Und der alte Mann öffnete sein Gesangbuch, da lag die Fliederblume, so frisch, als wäre sie erst kürzlich hineingelegt, und die Erinnerung nickte, und die beiden Alten mit den Goldkronen auf dem Haupte saßen in der roten Abendsonne. Sie schlossen die Augen und – und – ja, da war das Märchen aus!
    Der kleine Knabe lag in seinem Bette, er wußte nicht, ob er geträumt oder ob er es erzählen gehört habe. Die Theekanne stand auf dem Tisch, aber es wuchs kein Fliederbaum daraus hervor, und der alte Mann, der erzählt hatte, war eben im Begriff, zur Thür hinauszugehen, und das that er auch.
    »Wie schön war das!« sagte der kleine Knabe. »Mutter, ich bin in den warmen Ländern gewesen!«
    »Ja, das glaube ich wohl,« sagte die Mutter, »wenn man zwei volle Tassen Fliederthee zu sich nimmt, dann kommt man wohl nach den warmen Ländern!« – Und sie deckte ihn zu, damit er sich nicht wieder erkälte. »Du hast wohl geschlafen, während ich mich mit dem alten Manne darüber stritt, ob es eine Geschichte oder ein Märchen sei!«
    »Und wo ist die Fliedermutter?« fragte der Knabe.
    »Sie ist in der Theekanne,« sagte die Mutter, »und dort kann sie bleiben!«
     

Das alte Haus.
     
    Da stand in einer Nebenstraße ein altes, altes Haus, welches fast dreihundert Jahre alt war; denn das konnte man an dem Balken lesen, wo die Jahreszahl zugleich mit Tulpen und Hopfenranken ausgeschnitten war. Da standen ganze Verse in der Schreibart der

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