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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Wuchs über den Stein. Aber das Tor war geschlossen. Mitten am Tag? Und hinter den Mauern lastete eine ungewohnte Stille.
    Diese Stille erschütterte seine zerbrechliche Ruhe, bis er sich fast fürchtete, sie zu stören, aber er zog den Glockenstrang, erschauerte, als er das rauhe Klang-Klank der Kuhglocke hörte.
    Eine tiefe, männliche Stimme fragte nach seiner Identität. „Treforis?“ Gwynnors Knie bebten, und als er den Namen aussprach, war ein leises Zittern in seiner Stimme.
    „Wer …“
    „Gwynnor.“
    „Allein?“
    „Ja. Was ist passiert? Wo ist Vater?“ Er hörte scharrende Geräusche, dann schwang das Tor auf. Treforis trat heraus, ruckte seinen Kopf eilends von einer Seite zur anderen, um die Gasse soweit wie möglich zu überblicken. „Ich habe dir gesagt, ich bin allein.“
    Treforis blickte eilig zum Himmel hinauf, lächelte dann seinen jüngeren Bruder an. „Dann komm herein. Steh nicht herum, Bursche.“ Er packte Gwynnors Arm, zerrte ihn mit sich durch das Tor. „Halt einen Moment still.“ Er schlug das Tor zu und knallte Doppelbalken in schwere Gußeisen-Haken.
    Hastig, halb im Trab – eine Reaktion auf das starke Gefühl von Dringlichkeit in dem größeren Mann – wichen sie der einzelnen Cyforredd aus, die als Hauswächter vor der Tür gepflanzt worden war, schritten dann durch den künstlichen Irrgarten und gingen langsamer in das stille, schwach erhellte Innere des alten Hauses hinein.
    Treforis blieb dicht hinter der Schwelle stehen und rief: „Esyllt! Bring Wein! Mein Bruder ist daheim.“ Er berührte Gwynnors Schultern mit einer großen, zitternden Hand, als könnte er sich beruhigen, wenn er seinen Bruder berührte. Das verblüffte Gesicht der Frau erschien in einer Türöffnung, verschwand dann, als sie in den Frauenbereich zurückging, um den Wein zu holen.
    „Verzeih, Gwyn.“ Treforis schüttelte seinen massigen Kopf. „Keine große Heimkehr für dich. Aber wir können am Feuer sitzen und ein paar Lügen austauschen.“ Plötzlich packte er Gwynnor in einer warmen Umarmung, stieß ihn dann zurück, um abschätzende Blicke über ihn huschen zu lassen. „Du siehst älter aus. Und größer. Vielleicht erreichst du noch Mannesgröße, kleiner Bruder. Komm.“ Wie ein böiger Wind fegte er durch den Flur und in den Männerraum der Familie hinein. Er drückte Gwynnor in einen der großen Ohrensessel und zog den anderen so herum, daß er ihm gegenüber saß; ein kleines Feuer prasselte in der Feuerstelle zwischen ihnen.
    Esyllt kam herein; auf einem Tablett trug sie einen Weinkrug und zwei Gläser. „Willkommen daheim, Bruder.“ Sie lächelte, ihr gütiges Gesicht strahlte vor Wiedersehensfreude. Sie stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch neben ihrem Mann und überließ sie ihrem Gespräch.
    Gwynnor nippte von dem goldenen Wein und fand sowohl an den Erinnerungen, die er hervorrief, als auch an dem ausgereiften Geschmack Gefallen. „Ich habe eine kältere Begrüßung erwartet.“
    Treforis seufzte. „Der Vater hat immer dich seinem Herzen am teuersten gehalten, Kleiner, deshalb schmerzte es ihn am meisten, dich ihn leugnen zu sehen.“
    „Ich bin kein Kind“, sagte Gwynnor scharf. „Hör auf, mich wie eines zu behandeln.“
    „Schon gut, schon gut.“ Treforis nahm einen Schluck vom Wein, stellte dann das Glas ab. „Doch …“
    Gwynnor entspannte sich, streckte die Füße vor sich aus, und starrte auf das Glas nieder, das er zwischen den beiden Handflächen hielt. „Ich kann das nicht glauben, Tref, nach dem, wie er dauernd an mir herumgenörgelt hat.“ Für den Augenblick schob er die Bedeutung der Abwesenheit seines Vaters beiseite.
    „Es war seine Art.“ Teforis’ tiefe, langsame Stimme betonte schwer das zweite Wort, was Gwynnor zwang, sich dem zu stellen, was er nicht erfahren wollte.
    „War?“
    „Vor zwei Monaten. Männer von der Gesellschaft überfielen den Tempel. Es ging ihnen um Maranhedd. Vater war dort, wie immer nach einem guten Verkaufstag auf dem Markt. Du kennst ihn. Zu dickköpfig, um einen Haufen Bastarde eine heilige Stätte zerstören zu lassen.“ Treforis klopfte mit seinen dicken Fingern auf die Sessellehnen, sein liebenswertes Gesicht traurig und grüblerisch geworden. „Sie haben ihn zu Asche verbrannt. Wie sie es auch mit allen anderen dort gemacht haben.“
    Gwynnor schloß die Augen, da ihn dieser Verlust schlimmer schmerzte, als er sogar sich selbst eingestehen wollte. Treforis ließ ihn in Ruhe, ließ ihn auf seine Art

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