Mafiatochter
Die Diskothek war riesig. Sie nahm eine Fläche von vierhundertundfünfzig Quadratmetern in dem Gebäude ein und verfügte über eine Bar, eine Tanzfläche und eine private VIP-Lounge. Die Leute standen stundenlang draußen Schlange, um hineinzukommen. Eine Zeitlang war Papa praktisch jeden Abend dort, doch als das Bauunternehmen mehr Zeit in Anspruch nahm, wollte er den Laden abstoßen.
Frank bot meinem Vater eine Million Dollar für den Club. Papa hatte das Angebot angenommen, aber ich glaube, er hatte dabei Hintergedanken. Ein paar Tage, nachdem wir zum ersten Mal etwas von Frank Fiala gehört hatten, erschien mein Vater nicht zum Abendessen. Ich hatte auf ihn gewartet, weil ich ihn fragen wollte, ob meine beste Freundin Toniann bei uns übernachten dürfe. Mama sagte, ich bräuchte Papas Erlaubnis. Er sagte fast immer ja.
Die Uhr schlug sechs, und er war immer noch nicht zu Hause.
»Wo bleibt Papa denn?«, fragte ich meine Mutter.
Sie blickte von ihrem Topf mit Tomatensauce auf. »Dein Vater hat zu tun. Er isst heute nicht mit uns zu Abend.«
»Kann Toniann denn bei uns übernachten?«
»Warten wir, bis dein Vater nach Hause kommt, und hören, was er dazu sagt.«
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass er nicht zum Abendessen kommt. Wann ist er denn wieder da?«
»Weiß ich nicht. Und, ehrlich gesagt, ist es vielleicht ohnehin nicht gut, wenn Toniann heute Abend bei uns bleibt. Vielleicht sollte sie jetzt besser heimgehen.« Sie füllte die Sauce in Plastikbehälter. »Wir gehen über die Straße und essen bei deiner Großmutter, Tante Fran und den Kindern. Hol deinen Bruder, zieh ein paar saubere Kleider an und beeil dich ein bisschen.«
An jenem Abend herrschte in Tante Frans Haus eine seltsame Stimmung. Onkel Eddie war nicht da, was ebenfalls ungewöhnlich war. Keiner der Erwachsenen sagte etwas, während das Essen aufgetragen wurde – ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, denn ansonsten unterhielten sich die Mitglieder meiner Familie sehr gerne. Obwohl ich sehr neugierig war, stellte ich Mama keine weiteren Fragen.
Nach dem Abendessen fragte ich sie, ob ich zu Toniann zum Spielen gehen könne, bis mein Vater nach Hause kam. Meine Freundin wohnte gleich gegenüber. »Du kannst spielen gehen, aber nur eine halbe Stunde.«
»Was ist mit dem Übernachten«, drängelte ich.
Sie seufzte. »Frag deinen Vater, wenn er heimkommt. Wenn er nicht heimkommt, müssen wir es eben verschieben.«
Wir spielten gerade in Tonianns Vorhof, als Onkel Eddies Wagen um die Ecke gebraust kam und mit quietschenden Reifen in unsere Auffahrt einbog. Papa sprang heraus und rannte ins Haus, ich hinterher. Als ich ihn im Wohnzimmer und in der Küche nicht fand, ging ich nach oben. Die Schlafzimmertür war geschlossen. Ich öffnete sie einen Spaltbreit. Im selben Augenblick drehte sich Papa um und sah mich mit ernster Miene an.
»Kannst du nicht anklopfen?« Hastig kehrte er mir wieder den Rücken zu, aber ich konnte noch sehen, wie er sich einen Revolver in den Bund seiner Jeans steckte. Ich fragte mich, ob etwas nicht in Ordnung sei, doch seine Körpersprache verriet nichts. Er war ganz ruhig und gefasst. Ich starrte ihn an und versuchte mir einzureden, dass ich die Pistole nicht gesehen hätte. Nach einer langen Pause sagte ich schließlich: »Ich wollte dich gerade fragen, ob eine Freundin bei mir übernachten…«
»Nein, das geht nicht!«, unterbrach er mich. Dann zog er sein T-Shirt aus dem Hosenbund, drehte sich um und sah mich an.
»Warum denn nicht?«, quengelte ich. »Was ist denn daran so besonderes?«
»Nicht heute Abend. Wie wäre es denn am Wochenende? Ich kann jetzt nicht weiter darüber reden, ich muss gehen.« Seine Augen waren kalt; ich hatte das Gefühl, als blickte er durch mich hindurch. Er sprach ziemlich schnell und war ganz offensichtlich mit seinen Gedanken woanders. Er nahm ein Paar schwarze Lederhandschuhe von seiner Kommode und verließ das Zimmer.
Ich folgte ihm auf den Flur, sah zu, wie er die Treppe hinab polterte, und rief ihm nach: »Wozu brauchst du denn die Handschuhe? Es ist doch Hochsommer.« In meinem Herzen spürte ich, dass etwas Schreckliches geschehen würde, und ich fürchtete mich.
Er hielt inne, starrte mich an und sagte: »Warum stellst du so viele Fragen?«
»Weiß nicht. Ich habe ja nur gefragt.«
»Eines Tages wird noch eine gute Rechtsanwältin aus dir werden.« Er ging langsam die Treppe wieder herauf, bückte sich und küsste mich auf die Stirn. »Ich
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