Magic Girls 06 - Späte Rache
Nele wurden von allen Seiten begrüßt. Ein Junge aus der zehnten Klasse, den Nele vom Sehen kannte und der Zoran hieß, fragte sie, ob sie etwas trinken wolle. Wenig später nippte Nele an einem blutrot gefärbten Getränk, das nach nichts schmeckte. Die Musik war so laut, dass man sich nur schreiend verständigen konnte. Nele hatte auf einmal das Gefühl, dass die vier Stunden sehr lang werden könnten.
Zoran saß ihr außerdem auf der Pelle, er wich nicht von ihrer Seite. Ständig gab er Kommentare ab, wie »Coole Musik!« oder »Geiles Outfit!«. Als Nele ihr Glas leer getrunken hatte, wollte er unbedingt mit ihr tanzen und zerrte sie in die Mitte des Raums, wo schon zwei oder drei Pärchen herumhopsten.
|144| Zoran hatte einen so unmöglichen Tanzstil, dass sich Nele kaum das Lachen verkneifen konnte. Es sah aus, als habe er Zuckungen. Dazu schnitt er die unmöglichsten Grimassen, was ihm offenbar nicht einmal bewusst war.
Nele tanzte fünf Minuten mit, dann hatte sie genug und ließ Zoran einfach stehen. Sie ging zum Büfett, um sich noch etwas zum Trinken zu holen. Als sie gerade nach den Käsehäppchen angelte, stieß sie mit der Schulter gegen einen Jungen, der sich in diesem Moment in dieselbe Richtung beugte.
»Sorry«, sagte Nele – und blickte in Arnes lächelndes Gesicht.
»Oh, du schon wieder.« Er grinste. »Es scheint mein Schicksal zu sein, dass ich dauernd mit dir zusammenstoße.«
Nele erwiderte nichts, dafür klopfte ihr Herz umso schneller. Ob das Waselnussöl jetzt seine Wirkung zeigen würde?
»Bist du schon lange hier?«, fragte Arne.
Nele schüttelte den Kopf. »Vorhin erst gekommen.«
»Magst du tanzen?«
Auf dieses Stichwort hatte Nele gewartet. Sie stellte ihr Glas ab, stopfte schnell das Käsehäppchen in den Mund und folgte Arne auf die Tanzfläche. Arne bewegte sich geschmeidig zur Musik, er ließ dabei Nele nicht aus den Augen und lächelte die ganze Zeit.
Es funktioniert! Es funktioniert!, jubelte Nele innerlich, während sie tanzte. Aus den Augenwinkeln nahm sie Zoran wahr, aber sie beachtete ihn nicht.
Wenig später war die Musik zu Ende. Der nächste Song war ein langsames, sentimentales Liebeslied, und Arne zog Nele wie selbstverständlich an sich. Nele legte den Kopf an seine Schulter, sie roch sein Rasierwasser und spürte seine |145| Hände auf ihrem Rücken. Langsam wiegten sie sich im Takt der Musik, es war traumhaft. Neles Stirn streifte seine Wange, sie merkte, wie sein Gesicht sich ihr zuwandte ... und dann war sein Mund direkt vor ihren Lippen ...
Was für ein Kuss! Nele war selig. Es kribbelte in ihrem Bauch, Arnes Lippen waren so weich und warm, es fühlte sich himmlisch an!
Irgendwann war der Song dann zu Ende, und sie lösten sich voneinander. Arne nahm Nele an die Hand und führte sie zum Büfett zurück. Sie lächelten sich an und Nele sah das Strahlen in seinen Augen. Sie war so glücklich, dass sie fast nichts mehr von ihrer Umgebung wahrnahm. Arne schlug ihr vor, nach draußen zu gehen, um sich besser unterhalten zu können. Nele nickte. Sie gingen nach oben, durch den Gang auf die Terrasse und in den Garten. Nele hatte nicht an ihre Jacke gedacht und fröstelte ein wenig, aber das war ihr egal. Hauptsache, sie war mit Arne zusammen!
»Hast du am Wochenende schon was vor?«, wollte Arne wissen. Er lehnte sich gegen einen knorrigen Apfelbaum, der voller Knospen war. Einige waren schon aufgesprungen, und die Apfelblüten verbreiteten einen süßen Duft, der Nele in die Nase stieg. Es war eine Atmosphäre wie in einem Film, sie würde sich immer an diesen romantischen Moment erinnern ...
»Nein, ich habe noch keine Pläne«, antwortete sie auf Arnes Frage. Am liebsten hätte sie noch hinzugefügt: »Für dich habe ich alle Zeit der Welt!«, aber das wäre dann vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen gewesen.
»Dann können wir vielleicht ins Kino gehen«, schlug Arne vor. »Oder Eis essen. Oder eine kleine Fahrradtour machen. Was du willst. Sag, wozu du Lust hast.«
|146| Ich habe Lust, dich wieder zu küssen, dachte Nele.
Arne hatte anscheinend den gleichen Gedanken. Wieder kamen seine Lippen ihr entgegen und sie küssten sich lange und intensiv.
Dann geschah es. Nele nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie sich ihnen jemand näherte. Als sie sich von Arne löste, erkannte sie neben dem Apfelbaum Daphne. Ihr Gesicht war wutverzerrt. Sie streckte zwei Finger aus, deutete auf Arne und murmelte:
»Zischelnde, nuschelnde Nachtigall
bringt das
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