Magical Mystery
Rosa.
»Ja«, sagte ich.
»Das ist gut«, sagte sie. Ich wurde nicht schlau aus ihr. Sie hing an meinem Arm, als habe sie nie etwas anderes gemacht, als sei das schon seit Jahren bei Regen so üblich, ich den Schirm haltend, sie sich dranhängend, dabei fasste sie manchmal mit der Hand nach, so als sei sie abgerutscht, was wahrscheinlich auch ganz simpel der Fall war und auch kein Wunder bei der dicken, wasserabweisenden Jacke, die ich trug, ich hatte sie in einem Arbeitsbekleidungsgeschäft gekauft, das irgendwo in der Grauzone zwischen Bahrenfeld und Groß Flottbek gelegen hatte, ich hatte zwanzig Minuten lang mit Rüdiger um den Block kurven müssen, um es zu finden, Rüdiger hatte den Weg gewusst, aber den Überblick verloren, und als wir endlich den Laden gefunden hatten, hatte es in Strömen geregnet und ich hatte mir zusätzlich zum Hausmeisterkittel, den Rüdiger mir dort anpassen wollte, gleich noch diese Jacke gekauft, sie war hässlich gewesen und sie war hässlich geblieben, schmutzig schwarz und die Oberfläche irgendwie wachsartig imprägniert, wahrscheinlich für Schornsteinfeger oder Baupoliere oder was weiß ich gedacht, und es war eine Schande, mit so etwas durch die Gegend zu laufen, man müsste mal wieder ein bisschen Stil und Klasse entwickeln, dachte ich, während Rosa nach Schlüsseln kramte und mich in das kleine Haus hineinließ, in dem ihre Wohnung lag, und zwar im ersten Stock. »Vorsicht auf der Treppe«, sagte sie, als wir hinaufstiefelten, »die ist ungleichmäßig, ich bin hier schon tausendmal auf die Schnauze gefallen!«, und dann öffnete sie ihre Wohnung und zeigte mir mein Zimmer. Darin war eine Matratze, ein Schrank und ein Wäscheständer.
»Tut mir leid, sieht nicht so toll aus«, sagte sie, »meine Mitbewohnerin ist gerade ausgezogen.«
Ich stellte meine Tasche ab.
»Erst wollte sie unbedingt in Mitte wohnen, und dann ist sie mit irgend so einem Kerl nach Steglitz gezogen«, sagte sie.
»Nach Steglitz?«, sagte ich.
»Ja, nach Steglitz.«
Sie sagte das so, als sei das das Normalste der Welt und stand in der Tür und sah mir dabei zu, wie ich in meiner Tasche, die eigentlich ein Seesack war, den ich mal in einem Anfall von nautischem Romantikschwachsinn in einem Schiffsausrüstungsgeschäft am Baumwall gekauft hatte, in das Rüdiger unbedingt gemusst hatte, um sich irgendwelche Messingbeschläge für sein Badezimmer zu kaufen, herumwühlte, denn ich hatte noch irgendwo eine Packung Tabak, die ich jetzt dringend brauchte, um weiter rauchen zu können, ich hatte auf all unseren Wegen kein einziges Tabakgeschäft gesehen, nur lauter Klimbimgeschäfte, aber geraucht werden musste, und zwar dringend.
Rosa sah mir beim Kramen zu, dann sagte sie: »Steglitz … – ich weiß überhaupt nicht, wo das liegt, wo liegt das überhaupt?«
»Irgendwo im Süden«, sagte ich, »im Westen, also Westberlin, da fährt eine U-Bahn hin, die Linie 9.«
»Aha«, sagte sie. »Das mit der U-Bahn hat meine Mitbewohnerin auch gesagt, die blöde Kuh! Als ob das irgendwas zu bedeuten hätte.«
Von draußen trommelte der Regen an die Scheiben. Ich fand meinen Tabak und hielt ihn hoch. Rosa lächelte. Ich lächelte zurück und ging zur Arbeit.
17. Wer meckert, bleibt zu Hause
Als ich ins Büro kam, saß Ferdi an seinem Schreibtisch und Holger und Basti und einer, den ich nicht kannte, saßen dabei und sprachen auf ihn ein, und als ich durch die Tür trat, rief Ferdi, die Arme zum Himmel hebend: »Da ist er ja, gottseidank! Leute, das ist Charlie, Charlie, setz dich her, erzähl uns was vom Leben da draußen!«
Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich dazu. »Okay, Ferdi«, sagte ich, »jetzt tu du mir lieber einen Gefallen und erzähl mal, worum es geht und was es mit Magical Mystery auf sich hat, aber ohne Liebe und so, die tragen wir alle im Herzen, das ist was für heute Abend und später.«
»Seht ihr«, sagte er zu seinen Leuten, »so geht das! Immer frisch drauflos, der Charlie!«
»Schon gut, Ferdi«, sagte ich. »Und jetzt die Fakten.«
»Wir gehen auf Tour!« Ferdi drehte sich eine Zigarette. »Alles wie früher, wie die Rockmusiker oder die Beatles oder Kommune 1 oder so.«
»Gingen die auf Tour?«
»Charlie, ehrlich mal, das interessiert doch kein Schwein, was die wirklich gemacht haben! Freie Liebe, Revolution, Sex: Wir wollen das Feeling, ich meine, schau mich an, ich bin über fünfzig, ich war dabei, 1968 war ich vierundzwanzig Jahre alt, und das war ganz schön grau und
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