Al Wheeler und der tote Partygast
1
Der Wagen stand am Rande der
unbefestigten Straße, der Streifenwagen dahinter. Ich wendete und parkte
meinerseits direkt hinter dem Streifenwagen. Auf diese Weise würde ich dem
Verkehrsfluß nicht im Wege stehen, für den Fall, daß ein Planwagen oder
vielleicht eine Ziege vorbeikommen sollten.
Als ich aus dem Wagen stieg,
ging die Sonne am Horizont auf, und die beiden Polizisten scharrten mit den
Füßen, als ich zu ihnen trat und besonders munter auszusehen versuchte.
»Er sitzt hinterm Lenkrad,
Lieutenant«, teilte mir einer von ihnen mit.
Ich marschierte weiter zum
ersten Wagen in der Reihe, einem alten Rolls-Modell, von dem jeder Zentimeter
von den ersten Sonnenstrahlen poliert wurde. Der Bursche auf dem Fahrersitz war
gegen die luxuriösen Lederpolster zurückgesunken und sah richtig entspannt aus.
Er war etwa um die Vierzig, vermutete ich, und hatte dickes, schwarzes Haar,
das an den Schläfen leicht zu ergrauen begann, eine dünne Nase und einen
schmallippigen Mund. Die ins Leere starrenden Augen waren tiefblau. Der Mann
trug einen mitternachtsblauen Abendanzug, ein blütenweißes Seidenhemd und eine
schlaff herabbaumelnde, karmesinrote Fliege. Jemand hatte ihm genau in die
Mitte der Stirn eine Kugel geschossen. Das Blut war die Nasenflügel
herabgelaufen, über seinen Mund und das Kinn, und hatte sein Seidenhemd vom mit
Blutflecken gesprenkelt.
Ich schlenderte zu den beiden
Polizisten zurück, die sich anschickten, wieder gelangweilt dreinzublicken.
»Um wieviel Uhr haben Sie ihn
gefunden?« fragte ich.
»Ungefähr vor einer halben
Stunde«, antwortete derjenige, der auch zuvor schon gesprochen hatte.
»Bisher habe ich nicht einmal
gewußt, daß dieser Schotterpfad hier überhaupt existiert«, sagte ich. »Was
wollten Sie denn aufspüren? Eine Teenager-Orgie oder etwas Ähnliches?«
»Jemand hat im Büro des
Sheriffs angerufen und einen verlassen dastehenden Wagen gemeldet«, erwiderte
er. »Ich dachte, er ist vielleicht gestohlen worden. Wir waren nur etwa drei
Meilen entfernt, auf dem Highway. Also sind wir rasch hergefahren, um uns
umzusehen.«
»Eine Waffe war nirgends zu
finden?«
»Wir haben uns ziemlich genau
umgeschaut, aber nichts gefunden, Lieutenant.«
Ich kehrte zum Rolls zurück,
lehnte mich in das offene Wagenfenster und zog aus der Innentasche des Jacketts
des Toten behutsam seine Brieftasche heraus. In ihr befanden sich ein dickes
Bündel Banknoten, ein Stapel Kreditkarten, ein Führerschein und verschiedene
andere Papiere. Sein Name hatte Wallace Hamer gelautet, wie dem Führerschein zu
entnehmen war, und er hatte in den Vista-Höhen gewohnt.
Ich ging erneut zu den
Polizisten zurück.
»Hat man den Coroner zur
gleichen Zeit wie mich angerufen?«
»Ja, er müßte jede Minute hier
sein«, sagte der Sprecher der beiden, »und Sergeant Sanger vom Kriminallabor
ebenfalls.«
»So wie der Wagen steht, befand
er sich auf dem Rückweg zum Highway«, bemerkte ich. »Was erwartet einen am
anderen Ende dieser Straße? Das Ende der Welt?«
»Minerva Trents Anwesen«, sagte
er. »Da endet die Straße.«
»Und wer ist Minerva Trent?«
»Eine reiche Witwe«, sagte er
mit großem Respekt in der Stimme. »Ihr Mann war der Ölmagnat Trent. Er hat das
Haus vor etwa fünf Jahren gebaut, sozusagen als Zufluchtsstätte für sie beide.
Doch irgendwann zu Beginn des letzten Jahres ist er an einem Herzinfarkt
gestorben. Seither lebt sie allein in dem Haus.«
»Wenn er also überhaupt von
irgendwo herkam, dann aus dem Trent-Haus.«
»Sie gibt eine Menge Partys.
Die Art, wie der Bursche gekleidet ist und so... Finden Sie nicht auch?«
»Wie kommt es, daß Sie so ein
Experte darin sind?«
Er grinste.
»Ich wohne nicht weit von hier,
Lieutenant. Etwa eine Meile weit weg, auf dieser Seite des Highway. Es gibt
hier nicht viele Nachbarn, deshalb kennt man sie. Jeder quatscht eine Menge über
den anderen. Aber Minerva Trent habe ich niemals kennengelernt. Sie gehört
nicht ganz zu meinen Kreisen.«
»Wie spät ist es?«
Er blickte auf seine
Armbanduhr. »Sechs Uhr zweiunddreißig.«
»Ich hoffe nur, daß man im Trent-Haus
so früh am Tag Frühstück serviert bekommt«, sagte ich und gab ihm die
Brieftasche. »Geben Sie das Sergeant Sanger, wenn er eintrifft, und sagen Sie
ihm, er soll den Besitzer des Wagens ermitteln!«
»Wird gemacht, Lieutenant.«
»Ich habe nicht die eisernen
Nerven, die man braucht, um so früh am Morgen den Anblick von Doktor Murphy zu
ertragen«, erklärte ich.
Weitere Kostenlose Bücher