Magie der Liebe
Unmöglich konnte er ihr offenbaren, daß er ein Dieb war - allerdings ein Meister seines Fachs und ein hervorragender Stratege. Nach seinen Berechnungen mußten Monk und Boy in der Zwischenzeit in Paris ins Gefängnis eingeliefert worden sein. Es hatte ihn eine Menge Bestechungsgelder gekostet, doch diese Ausgabe war nötig gewesen, um sich von diesen kalten, gewissenlosen Kerlen ein für allemal zu befreien. Seine Tat war ein wahres Meisterstück gewesen, und es war ihm letzten Endes gelungen, alles für sich zu behalten. Von heute an brauchte er sich um die Zukunft seiner Kinder keinerlei Sorgen mehr zu machen, denn jetzt konnte er seiner Familie alles bieten.
Als er in die schmale Pappelallee der Avenue LaRouche einbog, wo er in einem kleinen, zweistöckigen Stadthaus wohnte, erschien ihm die Umgebung, gemessen an seinem derzeitigen Vermögensstand, fast ein wenig ärmlich. Damit war jetzt Schluß. Im Alter von siebenunddreißig Jahren hatte er endlich den langersehnten Erfolg gehabt, und er hatte nicht einmal jemanden verletzen oder gar umbringen müssen! Monk und Boy zählten nicht. Er war jetzt so reich, daß er es selbst beinahe nicht begreifen konnte.
Als er ein gezischtes »Du verdammter Bastard!« hinter sich hörte, wandte er sich nur ein wenig um, und als er den Messerstich in seinem Rücken spürte, wußte er im ersten Augenblick nicht einmal, was mit ihm geschah. Ihm war nur plötzlich kalt. Als er zitternd seinen Schritt beschleunigen wollte, erkannte er Monks drohende Stimme und erstarrte. »Wir werden uns rächen, aber vorher wirst du uns verraten, wo die Klunker sind!«
Tristan traute seinen Ohren nicht. Ungläubig wandte er sich langsam um und betrachtete fassungslos die finstere Piratenfratze seines ehemaligen Kumpans. »Monk«, stammelte er nur.
»Verdammt, Tris, wo sind die Dinger? Boy, komm her! Ich glaube, wir haben ihn!«
Als Tris stolperte, entdeckte Boy den roten Fleck, der sich auf Tris› Rücken ausbreitete. »Monk, du Narr! Du hast ihn in den Rücken gestochen! Du Idiot! Habe ich dir nicht gesagt, daß du aufpassen sollst?«
»Eh! Arrêtez! Qu’ est-ce qui se
passe?«
Boy fluchte. Diese verdammten Wachmänner hier in Brüssel! In diesem Augenblick schrie Tristan aus vollem Hals um Hilfe.
»Aidez-moi! Aidez-moi!«
Als fast augenblicklich ein schriller Pfiff ertönte, sahen Monk und Boy einander nur kurz an und flüchteten. Während Tristan ihnen noch nachblickte, ging er ganz langsam in die Knie. »Lily!« flüsterte er, als er auf dem Boden aufschlug. Er mußte ihr unbedingt von diesem Coup berichten und sie beruhigen. Jetzt gab es genug Geld für sie und die Kinder, wenn sie ihre altmodischen Wertvorstellungen doch nur ein wenig ändern könnte! Gott, er mußte sie einfach noch einmal sehen! Aber er fühlte, daß es zu spät war und er ihr nicht mehr sagen konnte, wo sie suchen mußte. Das letzte, was er in seinem Leben sah, war das Gesicht eines jungen Wachmanns, der sich über ihn beugte.
Damson Farm, Yorkshire,
England Oktober 1814
Mit hochgezogenen Füßen kauerte Lily auf ihrem schmalen Bett, während Theo, Sam und Laura Beth sich um sie herum versammelt hatten. Sie befanden sich in ihrem kleinen Schlafzimmer im dritten Stock von Damson House, in dem früher die Dienstboten gelebt hatten. Seit Arnolds Angriff auf sie war nun schon einige Zeit vergangen, und ihr wütendes, empörtes Zittern hatte soweit nachgelassen, daß sie in Ruhe darüber nachdenken konnte, was aus ihr und den Kindern werden sollte. Keinesfalls konnten sie länger in diesem Haus bleiben. Tris’ Schwester Gertrude tolerierte zwar die Kinder, doch sie mochte Lily nicht und hatte geradezu Spaß daran, sie wie eine Dienstmagd zu behandeln. Wenn sie noch dazu von den amourösen Aktivitäten ihres Ehemanns Arnold erfahren würde, würde Lily mit Sicherheit an die Luft gesetzt, und bestimmt würde den Kindern verwehrt werden, sich ihr anzuschließen.
Welch lächerlicher Anlaß! Nur weil Arnold sich nicht hatte beherrschen können! Anfangs hatte er Lily angefleht und angebettelt, doch nachdem sie ihn abgewiesen hatte, war er auf brutale Art und Weise zudringlich geworden. Theo, ihr neunjähriger, überaus ernster und verantwortlicher kleiner Beschützer, hatte gerade noch verhindert, daß Arnold sie an der Wand des Treppenhauses vergewaltigt hatte.
»Ich werde ihn umbringen, Lily!« erklärte Sam und reckte entschlossen sein Kinn empor.
»Halt den Mund, Sam!« wies Theo seinen sechsjährigen Bruder mit
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