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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ich wusste nicht, wie hoch der Preis ist, den ich dafür zahlen muss. Es fühlt sich an, als hätte ich ein Loch in der Brust. Es scheint so etwas wie eine universelle Kraft zu geben, die Eltern an ihre Kinder kettet. Eine Kraft, die nicht Halt macht vor Raum und Zeit. Als wir getaucht sind, als wir dort unten waren und ich die Kugel zum ersten Mal erblickte, hatte ich das Gefühl, einem lebenden, atmenden Wesen gegenüberzustehen. Einem Wesen, das erfüllt ist von Wut und von Trauer. Und obwohl ich mich vor Angst kaum bewegen konnte, spürte ich, dass da etwas zwischen uns war. Ein unsichtbares Band, eine unsichtbare Kraft, eine Art Seelenverwandtschaft. Ich weiß, das klingt seltsam und an den Haaren herbeigezogen – immerhin weiß ich noch nicht einmal, ob diese Kugeln wirklich leben oder ob sie nur eine Art komplizierte Maschine sind –, aber so habe ich damals empfunden. Und so empfinde ich immer noch im Angesicht dieser kleineren Kugel.« Sie legte ihre Hände auf das Glas des Zylinders. »Ich kann ihre Rufe hören. Ich spüre ihr Verlangen. Sie sehnt sich danach, wieder mit ihrem Ursprung vereint zu sein. Die Kinder wollen zurück zu ihrer Mutter …« Ella versagte die Stimme. Durch das Panzerglas sah sie das Pulsieren im Innern der Kugel, das An- und Abschwellen der Energien, die in ihrem Innern strömten. Sie glaubte den Herzschlag zu spüren, der den Raum krümmte und Wellen der Schwerkraft in den Boden sandte.
    »So kam ich auf die Idee. Das ist die Geschichte.« Sie wandte sich Konrad zu, der sie die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte.
    »Das ist der Grund, warum nur du und niemand anderer diese Aufgabe lösen konntest«, sagte er, und es lag so etwas wie Zufriedenheit in seiner Stimme. »Ich habe das gespürt, als ich dich zum ersten Mal sah.«
    »Und du hast dein Wissen gekonnt vor mir verborgen – eine schauspielerische Meisterleistung, das muss ich schon sagen. Nun, ich bin dir nicht böse, falls es dich interessiert.« Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Die Wut, die sie noch vorhin in der Cafeteria ihm gegenüber empfunden hatte, war verschwunden. Sie hatte das Problem gelöst, genau wie er es von ihr verlangt hatte. Und das ganz ohne seine Hilfe. Immer waren es nur Krumen gewesen, die er hatte fallen lassen und die sie aufsammeln musste. Immer hatte sie sich gefühlt, als stünde sie in seinem Schatten. Als wäre sie eine Maus, die den Ausgang aus einem Irrgarten finden musste. Im Nachhinein betrachtet empfand sie sein Verhalten ihr gegenüber immer noch als Demütigung, auch wenn sie es ihm nach allem, was geschehen war, nicht mehr übel nahm. Aber konnte eine Maus einem Chemielaboranten jemals ganz verzeihen? Unfair oder nicht, sie hatte das Gefühl, dass er ihr etwas schuldig war.
    »Würdest du mir einen Gefallen tun?« Ella unterbrach das Klicken der Relais und das tiefe Summen des Kraftfelds nur ungern. Sie hatte sich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass es ihr wie ein Sakrileg vorkam, den leisen Klangteppich zu durchbrechen.
    »Einen Gefallen?« Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite.
    »Könntest du für einen Moment die Brille abnehmen?«
    Der hagere Mann zögerte kurz, dann nahm er die Brille ab und blickte Ella an. Ja, es gab keinen Zweifel. Es war dasselbe Gesicht, das ihr auf den Fotos entgegengeleuchtet hatte. Dieselben markanten Augenbrauen, dieselben dunklen Augen, derselbe amüsierte Ausdruck um den Mund.
    »Francesco Mondari.« Eigentlich hatte sie vorgehabt, den Mund zu halten, aber sie konnte nicht anders. Die Worte rutschten ihr einfach so heraus.
    Mit Konrad ging eine Veränderung vor sich. Der amüsierte Blick bekam etwas Trauriges. »Warum sagst du das?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Bitte entschuldige.«
    Der Geologe richtete seinen Blick wieder auf die Kugel. »Das ist lange her«, murmelte er. »Das war ein anderes Leben.«
    »Vergiss einfach, dass ich den Namen erwähnt habe«, sagte Ella. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Es geht mich ja eigentlich überhaupt nichts an. Es ist nur … ich bin so verwirrt.«
    »Ist schon in Ordnung. Helène hat dir davon erzählt, nicht wahr?«
    Ella nickte.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob du verstehen würdest, was mit mir geschehen ist, selbst wenn ich es dir erzähle. Die Erfahrung war eigenartiger, als Worte sie beschreiben können.«
    »Das käme auf einen Versuch an.«
    Konrad versank in kurzes Schweigen, dann fuhr er fort: »Meine Anweisung lautete, nicht darüber zu sprechen.

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