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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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aus und dachte, du könntest mich vielleicht begleiten … unsere Quartiere liegen ja nicht so weit voneinander entfernt …« Sie strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und schenkte ihm ein ebenso schüchternes wie bezauberndes Lächeln, das Colin erwiderte. Ihre Zimmer lagen an völlig unterschiedlichen Orten, sie waren nicht mal auf demselben Stockwerk. Er hielt es aber nicht für nötig, sie darauf hinzuweisen. Clever wie sie war, wusste sie das sowieso. Sie schien etwas anderes im Sinn zu haben, und Colin musste sich zwingen, bei dem Gedanken an das, was ihn womöglich am Ende dieses Tages noch erwarten mochte, nicht in ungebührliche Aufregung zu verfallen.
    »Nichts, was ich lieber täte«, sagte er und hielt ihr seinen Arm hin. Er hatte das schon mal in irgendeinem Film gesehen und fand es irgendwie cool. Die Geste schien ihm zu dieser Situation zu passen, die ohnehin etwas seltsam Unwirkliches an sich hatte.
    Sie zögerte einen Moment, doch dann hakte sie sich unter, wie Lauren Bacall bei Humphrey Bogart. Als er die Berührung ihrer Haut spürte, breitete sich eine wohltuende Wärme in seinem Bauch aus.
    Auf dem Weg zu Jans Quartier sprachen sie nur wenig. Aber das war ganz in Ordnung so. Es schien, als spürte jeder von ihnen, dass jedes falsche Wort den magischen Moment zerstören könnte. Und magisch war der Moment in der Tat. Die Gänge waren wie leer gefegt. Der ganze Berg schien zu schlafen, leise atmend, bereit, den neuen Tag zu begrüßen. Ein leiser Wind strich durch die Korridore. Ein Wind, der vom Ende ihrer Probleme kündete. Ein Wind, der die Veränderung brachte. Sie standen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, das spürte Colin ganz genau. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schien Jan das auch zu spüren.
    Als sie endlich zu ihrer Tür kamen und sie sich von ihm löste, kam es ihm so vor, als würde er aus einem Traum erwachen. Er musste ein paarmal zwinkern und sich vergewissern, dass er das alles nicht geträumt hatte. Aber es war kein Traum gewesen. Jan stand immer noch vor ihm, die Augen erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Er sah sie an und wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. In diesem Moment nahm sie sein Gesicht zwischen die Hände und zog ihn zu sich heran. Die Berührung ihrer Lippen war wie ein Feuerwerk. Bunte Funken tanzten vor seinen Augen. Er hätte schwören können, dass ihn ein Blitzstrahl durchfuhr, der ihm bis in die Haarspitzen drang und seinen Körper aufleuchten ließ.
    »Danke fürs Bringen«, sagte Jan, als sie ihn aus ihrer Umarmung entließ. »Ich wünsche dir eine gute Nacht und angenehme Träume.« Mit dieser Bemerkung schloss sie die Tür auf und trat ein. »Bis morgen«, hauchte sie ihm noch zu, und mit einem letzten Lächeln und einem silbrigen Flirren in ihren Augen schloss sie die Tür hinter sich.
    Colin stand auf dem Gang wie vom Donner gerührt. Etwas Vergleichbares hatte er noch nie erlebt. Es musste sich um das handeln, wovon alle Welt erzählte, was aber kaum jemand am eigenen Leibe erlebte. Liebe auf den ersten Blick. Der Donnerschlag. Der Mythos. Jetzt hatte es ihn also auch erwischt.
    Es dauerte eine ganze Weile, ehe er sich aus seinem tranceartigen Zustand zu lösen vermochte und den Heimweg zu seinem Quartier antreten konnte. Er schien zehn Zentimeter über dem Boden zu schweben, als er durch die Gänge eilte. Am liebsten hätte er seine Freude laut herausgeschrien, aber das war natürlich nicht möglich. Nicht zu dieser Stunde.
    Trotzdem – er konnte jetzt unmöglich schlafen. Eine Nacht wie diese verschlief man nicht einfach. Er würde Musik hören – irische Musik –, und zwar bis Sonnenaufgang. Den Kopf voller wilder Gedanken, schloss er die Tür zu seinem Quartier auf. Er betätigte den Lichtschalter und eilte zum Kühlschrank. Wenn er sich recht erinnerte, stand da noch eine Flasche Sekt. Er trank zwar lieber Bier, aber das schien zu dieser Stunde und zu diesem Anlass nicht das passende Getränk zu sein. Außerdem hielt ihn Sekt wach, und er wollte wach bleiben und die Minuten genießen.
    Er setzte sich vor seine Stereoanlage und entfernte das Silberpapier vom Verschluss. Dann drehte er am Draht.
    »Hallo, Colin. So spät noch auf?«
    Colin fuhr herum. Der Korken löste sich aus dem Flaschenhals und knallte gegen die Decke. Schaum lief aus der Flasche.
    »Oberst!«
    Elias Weizmann, der still und unauffällig hinter der Schlafzimmertür gewartet hatte, löste sich aus dem Schatten und trat

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