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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Skarabäen ihren Höhepunkt. Es begann mit einem lauten Wortwechsel. Ich verstand kein Wort, aber es klang zornig, ja fast hasserfüllt. Rufus wollte den Streit schlichten. Ein Faustschlag vor die Brust ließ ihn zurücktaumeln. Sie gingen aufeinander los wie kämpfende Hähne. Blut floss. Erst Hassan gelang es, die Männer zur Vernunft zu rufen. Aber es war kein Frieden, sondern bloß ein Waffenstillstand. Die elektrische Aufladung wie vor einem Gewittersturm blieb bestehen.
    Für mich war dieser Hahnenkampf der sichtbare Beweis für die Macht des Testosterons über alle Vernunft. War ich bisher der Meinung gewesen, wir hätten diesen primitiven Urtrieb abgestreift wie ein Affenfell, so wurde mir jetzt vor Augen geführt, dass uns das nicht gelungen war. Ich erkannte mit Bestürzung: Inmitten unseres Ordens, an verantwortungsvollster Stelle, war die Ordnung, zu deren Hüter wir uns ernannt haben, außer Kraft gesetzt worden. Hier galt nichts mehr von dem, das wir von allen anderen einforderten.
    Als ich anderntags ins Freie trat, erschrak ich vor der Stille. Obwohl die Sonne schon hoch am Himmel stand, regte sich nichts. Der Platz vor dem großen Tor erschien mir so verlassen wie die Gräber im Tal der Schmetterlinge. Vor dem Tor, dort, wo sonst um diese Zeit die Skarabäen beieinanderstanden und lebhafte Gespräche führten, trippelten ein paar Tauben umher, die es gewöhnt waren, gefüttert zu werden. Sie waren hungrig, was den Tauber nicht davon abhielt, einer jungen Taube den Hof zu machen. Mit welch aufgeblähtem Eifer er den Akt vollzog! Ich dachte an die Skarabäen. Die Vorstellung, dass sie jetzt bei den Frauen lagen, erregte meine Fantasie. Ob die fleischliche Liebe wirklich so ekelhaft war, wie Attea sie mir beschrieben hatte? Würden die Männer sich dann so begierig danach sehnen? Erlebten sie das Liebesspiel lustvoller als die Frauen? Ich dachte an Merimé und an die Orgasmen, die ich in ihren Armen erlebt hatte. Ich vermochte mir nicht vorzustellen, dass Männer liebesbedürftiger sein könnten als Frauen. Dieser Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
    Den ganzen Tag lang ließ sich kein Skarabäus blicken. Nach dem Trommelschlagen der vergangenen Tage war die Stille, die jetzt über der Schlucht lag, noch bedrückender. Ich fühlte mich wie ein Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel.
    Als der Mond aufging, hielt ich es nicht länger zwischen den dunklen Steilwänden aus. Mich zog es zum offenen Meer. Es war still bis auf das ferne Rauschen der Brandung. Ich wollte schon weiterziehen, da vernahm ich die Stimme, eine Frauenstimme, ein Liebeslied, klagend und doch verlockend. Ich fühlte mich angesprochen, folgte dem Gesang, und schon bald erblickte ich hinter herabgestürztem Felsgestein Licht, das aus einer Grotte fiel. Aus ihr ertönte auch das Lied.
    Ich schlich näher heran und hielt mich dabei im Schatten der Zypressen, die den Liebespark umstanden wie eine Wand.
    Im flackernden Licht vieler Fackeln erblickte ich ein Paar in einer Hängematte. Sie hielten sich so eng umschlungen, als wollten sie nie mehr voneinander lassen. Der weit zurückgelegte Kopf der Frau hing über den Rand der Hängematte hinaus. Ihr langes Haar schleifte über den Boden.
    Und da war auch die Sängerin, entblößt und aufrecht stand sie da und sang, die Arme ausgebreitet, als wollte sie die ganze Welt umarmen, leuchtend wie eine brennende Fackel. Die Fleisch gewordene Freude. Ein Nackter, den ich nicht zu erkennen vermochte, weil er mir den Rücken zuwandte, ging zu ihr und verschloss ihr die Lippen mit einem Kuss. Sie schmiegte sich an ihn und streichelte seine Schultern.
    Dahinter, in der höhlenartigen Halle, liebte sich ein Paar, so wie das die Hunde tun. Sie kniete auf einem Berg von Kissen. Er nahm sie von hinten.

35. KAPITEL
    D as Lupernicare musste längst vorüber sein, aber noch immer lag unsere Schlucht so verlassen da, als wäre sie unbewohnt. Vermutlich waren die Skarabäen jetzt damit beschäftigt, den zu Tode geliebten Frauen die befruchteten Eier aus dem Leib zu schneiden, um sie den Brutmaschinen einzupflanzen.
    Welch grausige Vorstellung!
    Wie kann man einen Menschen liebevoll umarmen und ihn dann aufschlitzen! Nur Männer waren zu solch einer Barbarei fähig.
    Am Abend des dritten Tages erschien Hassan. Ich hörte ihn, bevor ich ihn sah. Er kam vom Meer, barfuß und nackt. Im letzten Licht des Tages war seine Haut noch dunkler und das Weiß seiner Augen noch weißer als sonst. Er sang, und seine

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