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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Kastanien mehr erntet und keine Reifhölzer mehr fertigt.
    Meine Erzeuger hören mir kaum zu. Geradesogut könnte ich mit Erdschollen sprechen. Deren Farbe sie übrigens haben. Haar und
     Haut brünett. Wie auch bei mir, nur daß ich vom Onkel die blauen Augen geerbt habe.
    Im Abstand sehe ich diese Szene mit meinen Erwachsenenaugen wieder vor mir; ich verstehe sie jetzt besser, glaube ich, und
     finde sie recht unerfreulich.
    Meine Mutter zum Beispiel. Mit ihrem weinerlichen Gewäsch. Sie hat das Laster mittelmäßiger Naturen: Sie stellt Gegenfragen.
     Das einfachste Alibi für das eingefahrene Denken. Wenn doch alles schlecht steht, wozu dann den kleinen Finger rühren? Mein
     Vorschlag, Wald zu roden, kränkt sie.
    »Und woher das Geld nehmen?« fragt sie höhnisch. »Willst du die Stunden für den Bulldozer bezahlen?«
    Ihr Ton ist geringschätzig, und dabei weiß ich, daß im Sparkassenbuch Summen stehen, die von Monat zu Monat an Wert verlieren.
     Ich weiß das, weil der Onkel es mir erklärt hat. Und ich erkläre es meinerseits, ohne den Onkel zu erwähnen. Vergebliche Vorsicht.
    Der Vater hört zu, sagt aber kein Wort. Die Mutter fühlt sich abermals gekränkt. Meine Argumente gleiten an ihrem harten Schädel
     mit dem dürftigen Haar ab. Sie sieht mich nicht einmal an. Über meinen Kopf hinweg wendet sie sich an meinen Vater.
    »Dieser Junge«, sagt sie, »ist ganz das Bild deines Bruders Samuel. Hochmütig. Lehren erteilen. Und seit seiner Abschlußprüfung
     große Rosinen im Kopf.«
    Paulette und Pélagie, meine beiden jüngeren Schwestern, platzen vor Lachen, und ich versetze der, die neben mir sitzt, unter
     dem Tisch einen Fußtritt, daß sie zu heulen anfängt.
    »Und hartherzig ist er obendrein«, schließt die Mutter.
    Über meine Hartherzigkeit bekommen wir noch zu hören.
    Die ganze Zeit, während wir unsere zwei Teller Suppe verzehren. Denn meine Mutter versteht sich auf Rechnungsführung. Und
     bei jedem neuen Vergehen werden meine Fehler Stück für Stück rekapituliert. Der Umstand, daß ich bereits dafür bestraft |8| bin, ändert nichts daran. Meine Verbrechen sind weder vergessen noch verziehen und wiegen noch immer gleich schwer.
    Dieses Durchhecheln vollzieht sich überdies in Jammertönen, die mir ein Grauen sind: Boshaftigkeit, weich verpackt. Die Pélagie
     heult, die Paulette, die ich nicht angerührt habe, flennt. Knalleffekt: Die Pélagie schürzt ihren Rock und zeigt ihr Schienbein
     her. Es ist gerötet. Das mütterliche Gejammer steigert sich um mehrere Tonlagen bis zum Gekreisch.
    »Und worauf wartest du noch, Simon? Willst du deinem Sohn nicht eins hinter die Löffel geben?«
    Denn natürlich bin ich der Sohn meines Vaters, nicht der ihre. Der Vater schweigt. Das ist seine Rolle in diesem Hause. Die
     Mutter, Vernunftgründen unzugänglich, jeder Logik fremd, nimmt niemals Rücksicht auf das, was er sagt. Rein vermöge ihres
     Wortschwalls hat sie ihn zum Schweigen und fast zur Knechtschaft verurteilt.
    »Hörst du nicht, Simon?«
    Ich lege Messer und Gabel hin und hebe den Hintern vom Stuhl, um der Ohrfeige des Vaters ausweichen zu können. Doch der Vater
     rührt sich nicht. Das kostet ihn Mut, denke ich mir, denn heute abend, im Ehebett, muß er sich auf eine Strafpredigt gefaßt
     machen, in der alle seine eigenen Fehler durchgehechelt werden.
    Aber es ist ein lahmer Mut. Der Onkel bot in solchen Fällen ein bewundernswertes Schauspiel! Ich habe erlebt, wie er aufgestanden
     ist und seine Ehefrau angedonnert und zermalmt hat, und die war, da die beiden Brüder zwei Schwestern geheiratet hatten, meiner
     Mutter sehr ähnlich. Ich stelle mir die Frage: Was ist bloß los mit den Frauen in dieser Familie, daß sie alle dürr, halsstarrig,
     raunzerisch und widerborstig sein müssen?
    Die Tante hat das nicht lange ausgehalten. Mit vierzig Jahren ist sie aus Haß gegen das Leben gestorben. Und der Onkel hat
     sich schadlos gehalten und sich darauf verlegt, den jungen Dingern nachzulaufen. Ich tadle ihn nicht; als ich dann ein Mann
     war, habe ich es nicht anders gemacht.
    Ich fühle mich jetzt sicher. Von der Seite des Vaters ist keine Ohrfeige zu erwarten, von der Seite der Mutter auch nicht.
     Zwar hätte sie nicht übel Lust dazu, aber seit kurzem habe ich mir eine Parade mit dem Ellbogen ausgedacht, an der, ohne daß
     der Respekt offen verletzt wird, der mütterliche Unterarm abprallt. |9| Diese Parade ist nicht passiv: Ich wehre ihren Arm ab, indem ich meinen eigenen

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