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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sie hineingelaufen. Jordi strauchelte, stolperte… und fiel hin. Das braune Papier mit dem Glühstab glitt ihm aus den Händen. Das Glas zerbrach mit einem fast harmlos klingenden Splittern auf dem Kopfsteinpflaster.
    Jordi hätte aufschreien können vor Ärger und Verzweiflung. In dem Bild des zerborstenen Glühstabs tauchte das Gesicht seines Vaters auf, der außer sich sein würde vor Zorn. Dann erst fiel sein Blick auf die Gestalt, die ihn hatte stürzen lassen.
    Eine plötzliche Kälte ließ Jordi frösteln. Es war die gleiche Eiseskälte wie vorhin, als er die Meduza zum ersten Mal erblickt hatte. Und hatte er eben noch schimpfen und fluchen und sich bei dem Mann beschweren wollen, so blieben ihm die Worte nunmehr im Hals stecken.
    Groß war die Gestalt. Ganz in Schwarz gekleidet stand sie in der Gasse und rührte sich nicht. Sie schien den Jungen zu beobachten, der fassungslos auf dem Boden saß.
    Das Gesicht der Gestalt wurde von einer lächelnden schwarz-weißen Harlekin-Maske verdeckt, die blutroten Lippen waren zu einem breiten Grinsen verzogen. Hinter den schmalen Augenschlitzen lag nur allertiefste Nachtschwärze.
    Jordi bewegte sich nicht.
    Die große Gestalt trat auf ihn zu. Sie beugte sich zu ihm herab, bis die leeren Augenschlitze ganz nah an seinem Gesicht waren.
    Für einen kurzen Moment dachte Jordi, dass die schattenhafte Dunkelheit, die hinter der Maske verborgen lag, aus den Augenschlitzen herausfließen und ihn berühren würde. Doch dann erhob sich die Gestalt wieder. Was immer sie in dem Jungen hatte sehen wollen, nun schien er sie nicht weiter zu interessieren.
    Jordi fühlte, wie ein Zittern in ihm hochkroch.
    Das Harlekin-Ding verschwand in einem Hauseingang und es sah fast so aus, als wäre es eins geworden mit den Schatten, die dort lebten.
    Jordi wusste gar nicht richtig, wie ihm geschehen war. Er betrachtete den Scherbenhaufen zu seinen Füßen und das braune Papier. Er erinnerte sich daran, wie die fliegende Galeone im Hafen festgemacht hatte, er dachte an die Hexen und das Harlekin-Ding. Er sah den Leuchtturm vor sich und seinen Vater. Und irgendwie spürte er, dass die Dinge bereits begonnen hatten, sich zu verändern.

Der alte Kartenmacher
    Wie immer, so war Catalina auch an diesem Nachmittag spät dran, als sie vom Montjuic zurückkam. El Cuento hatte ihr noch zwei weitere Geschichten erzählt und war dann hinaus aufs Meer geweht.
    Catalina hatte sich ihre Sandalen übergestreift und war in die Stadt gelaufen, um ihre Besorgungen zu erledigen. Obwohl sie sich beeilte, dämmerte es bereits, als sie Farbe und die Tusche eingekauft hatte. Sie rannte durch die Straßen, Tunnel und Gassen von Dalt Vila und stellte sich vor, selbst wie der Wind zu sein, der flott den Berg hinabwehte.
    Schließlich erreichte sie die Carrer de Roman Pinol. Hoch über der Porta Francolina, auf dem flachen Dach eines Hauses, war ein Garten angelegt. Inmitten des saftigen Grüns über dem eigentlichen Haus erhob sich eine Windmühle mit gerade einmal zwei Flügeln. Hier wohnte der Kartenmacher Arcadio Márquez.
    Die Mühle war vor Ewigkeiten erbaut worden, genau wie die umliegenden Häuser in diesem Stadtteil. Márquez hatte Catalina Bilder und Fotografien von früher gezeigt und jedes Mal, wenn Catalina in die Gasse einbog und das weiße Haus mit all dem wuchernden Grünzeug auf dem Dach erblickte, musste sie daran denken, dass es hier vor über hundert Jahren schon genauso ausgesehen hatte.
    Catalina hatte die Windmühle von Anfang an gemocht, weil sie nicht so perfekt war wie viele andere Gebäude. Sie war klein und etwas schief und gab sich Mühe, ein nettes Zuhause für den Kartenmacher und sie selbst zu sein.
    In dem weißen Haus darunter hatte sich einmal eine Bäckerei befunden. Die Mühle auf dem Dach zu haben war für den damaligen Besitzer wohl von Vorteil gewesen. Heute jedoch besaß die Windmühle nur noch zwei löchrige Flügel, die notdürftig mit bunten Stofffetzen ausgebessert waren.
    Die Flickenfetzen waren Catalinas Idee gewesen, nachdem Holzwürmer und die Zeit an den dünnen Holzplatten und Verstrebungen genagt hatten und der Wind durch all die Löcher gepfiffen hatte, ohne aber die Flügel bewegen zu müssen. In mühseliger Kleinarbeit hatte sie allerlei Stofffetzen zusammengefügt und den Flügeln übergestülpt. Sie erfüllten ihren Zweck, aber sie verliehen der Mühle auch ein kunterbuntes und irgendwie fröhliches Aussehen.
    Catalina nahm die kleine Treppe, die zu dem Garten auf

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