Malloreon 2 - König der Murgos
die Tür des Gemachs, in dem Garion über einem Buch saß, und teilte ihm mit, daß Kaiser Varana ihn gern sprechen würde. Garion legte sein Buch zur Seite und folgte dem Beamten durch die hallenden Marmorsäle zu Varanas Arbeitsgemach.
»Ah, Belgarion«, begrüßte ihn Varana. »Ich erhielt gerade eine Nachricht, die Euch vielleicht interessiert. Bitte, nehmt doch Platz.«
»Eine Nachricht?« Garion setzte sich in den ledergepolsterten Sessel neben des Kaisers Schreibtisch.
»Der Mann, den Ihr erwähnt habt – Naradas – , wurde hier in Tol Honeth gesehen.«
»Naradas? Wie ist es ihm gelungen, so schnell hierher zugelangen? Als ich das letzte Mal von ihm hörte, ritt er vom Großen Jahrmarkt in Arendien nordwärts.«
»Ist er euch gefolgt?«
»Er hat viele Fragen gestellt und Geld geboten.«
»Ich kann ihn festnehmen lassen, wenn Ihr möchtet. Ich hätte selbst ein paar Fragen an ihn, und ich könnte ihn ein paar Monate festhalten, wenn es sein muß.«
Garion überlegte. Schließlich schüttelte er bedauernd den Kopf. »Er ist ein malloreanischer Grolim und könnte sich in Minuten aus jeder Gefängniszelle befreien, in die Ihr in sperren laßt.«
»Die kaiserlichen Verliese sind sehr sicher, Belgarion«, sagte Varana steif.
»Nicht sicher genug, Varana.« Dann lachte Garion, als er sich an die Unerschütterlichkeit von Varanas Glauben in diesen Dingen erinnerte. »Sagen wir, Naradas hat einige ungewöhnliche Fähigkeiten. Sie gehören zu jenen Dingen, über die zu sprechen Euch unangenehm ist.«
»Oh«, sagte Varana und verzog das Gesicht. »Das!«
Garion nickte. »Es dürfte besser sein, wenn Eure Leute ihn nur im Auge behalten. Wenn er nicht ahnt, daß wir von seiner Anwesenheit hier wissen, führt er uns vielleicht zu anderen – oder zumindest zu nützlichen Informationen. Ich habe gehört, daß auch Harakan hier in Tolnedra gesehen wurde, und ich würde gern herausfinden, ob es eine Verbindung zwischen den zweien gibt.«
Varanna lächelte. »Euer Leben ist weit komplizierter als meines, Belgarion«, stellte er fest. »Ich brauche mich nur mit einer Wirklichkeit zu beschäftigen.«
Garion lächelte schief. »Es hilft mir die Zeit vertreiben.«
Es klopfte an der Tür, und Lord Morin schlurfte in das Gemach. »Tut mir leid, wenn ich euch störe, Eure Majestäten, aber aus der Stadt gibt es beunruhigende Neuigkeiten.«
»Oh?« Varana horchte auf. »Was ist passiert, Morin?«
»Jemand tötet Angehörige der Familie Honeth – sehr unauffällig, aber auch sehr wirkungsvoll. Schon mehrere mußten in den vergangenen zwei Nächten das Leben lassen.« »Gift?«
»Nein, Eure Majestät. Dieser Meuchler geht direkter vor. Vorgestern nacht erstickte er ein paar mit ihren eigenen Kissen, und einer stürzte in den Tod. Zunächst schienen diese Todesfälle eine natürliche Ursache zu haben. Doch vergangene Nacht benutzte er ein Messer.« Morin schüttelte abfällig den Kopf. »Blutig. Sehr blutig.«
Varana zog die Brauen zusammen. »Ich dachte, die alten Fehden hätten aufgehört. Glaubt Ihr, es waren die Horbits? Sie sind rachsüchtig bis ans Grab.«
»Das weiß offenbar niemand, Eure Majestät. Die Honether sind völlig verstört. Sie flüchten entweder aus der Stadt oder machen ihre Häuser zu Festungen.«
Varana lächelte. »Ich glaube, ich kann mit dem Unbehagen der Honether leben. Hat dieser Bursche irgendwelche Zeichen hinterlassen? Ist er als bekannter Meuchelmörder zu identifizieren?«
»Wir haben nicht den geringsten Hinweis, Eure Majestät. Soll ich Wachen um die Häuser der Honether postieren lassen – um die der noch übriggebliebenen?«
»Sie haben ihre eigenen Soldaten.« Varana zuckte die Schultern. »Aber stellt Nachforschungen an und laßt diesen Burschen wissen, daß ich mich gern mit ihm unterhalten möchte.«
»Wollt Ihr ihn verhaften?« fragte Garion.
»Oh, ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde. Ich möchte nur wissen, wer er ist, und ihm raten, die Regeln etwas besser zu befolgen, das ist alles. Ich frage mich, wer er wohl sein mag.«
Garion hatte seinen heimlichen Verdacht.
Die Erastidefeier war in vollem Schwung in Tol Honeth, und die Feiernden, manche mehr als nur leicht beschwipst, torkelten und taumelten von einer Party zur anderen, denn die großen Familien versuchten einander auszustechen mit ihrem Prunk und ihrem zur Schau gestellten Reichtum. Die prächtigen Häuser der Reichen und Mächtigen waren mit bunten Girlanden und farbenfrohen Lampions behangen.
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