Malloreon 5 - Seherin von Kell
weich. Er hatte diese Entscheidung schon vor geraumer Zeit getroffen. Er würde noch andere Töchter bekommen, und sie würden die Namen von Verwandten beider Seiten der Familie erhalten, aber irgendwie erschien es ihm wichtig, daß seine erste Tochter nach Tante Pols blonder Zwillingsschwester genannt wurde, einer Frau, von der Garion zwar lediglich das Abbild gesehen hatte, und das nur ein einziges Mal, die jedoch irgendwie noch sehr bedeutend in ihrer aller Leben war. »Danke, Garion«, sagte Poledra.
Prinz Geran war nicht sehr beeindruckt von seiner kleinen Schwester, aber das sind Jungen selten. »Ist sie nicht schrecklich klein?« fragte er, als sein Vater ihn weckte, um sie ihm zu zeigen.
»Das haben Babys so an sich. Sie wird rasch wachsen.«
»Gut.« Geran betrachtete sie ernst. Dann hatte er offenbar das Gefühl, daß er irgendetwas Nettes über sie sagen sollte, und fügte hinzu: »Sie hat schönes Haar. Es hat die gleiche Farbe wie Mutters, nicht wahr?« »Ja, das ist mir auch aufgefallen.«
Die Glocken von Riva verkündeten an diesem Morgen das freudige Ereignis, und die rivanische Bevölkerung feierte, obwohl manche sich insgeheim gewünscht hatten, auch das zweite Königskind möge zur Sicherheit des Königshauses ein Junge sein. Die Rivaner waren so viele Jahrhunderte königlos gewesen, daß ihre Besorgnis in dieser Hinsicht etwas übertrieben war.
Ce'Nedra strahlte natürlich. Sie ließ sich nicht einmal ihre Enttäuschung über Garions Namenswahl für ihre Tochter lange anmerken, obwohl ihr Dryadensinn nach einem Namen verlangte, der mit dem traditionellen X begann. Ganz offensichtlich grübelte sie darüber nach und kam zu einem befriedigenden Ergebnis. Garion war ziemlich sicher, daß sie für sich irgendwo in Beldarans Namen ein X eingefügt hatte. Aber er wollte es lieber nicht wissen und schwieg. Die rivanische Königin war jung und gesund und erholte sich sehr rasch. Allerdings blieb sie ein paar Tage im Bett liegen – hauptsächlich der dramatischen Wirkung auf den Strom rivanischen Edelvolkes und ausländischer Würdenträger wegen, die kamen, um die zierliche Königin zu beglückwünschen und die niedliche Prinzessin zu bewundern.
Nach ein paar Tagen sagte Poledra zu Garion: »Damit wäre hier für alles gesorgt, und wir sollten uns nun wirklich auf den Weg ins Tal machen. Polgaras Entbindung wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, weißt du.«
Garion nickte. »Ich bat Greldik, hierzubleiben«, erklärte er ihr. »Er wird uns schneller nach Sendarien bringen, als es sonst jemand könnte.«
»Das ist ein sehr unzuverlässiger Mann, ist dir das klar?«
»Tante Pol benutzte einmal genau die gleichen Worte. Er ist jedenfalls der beste Seemann der Welt. Ich werde veranlassen, daß Pferde für uns an Bord gebracht werden.«
»Nein«, wehrte sie ab. »Wir sind in Eile, Garion. Pferde würden uns nur aufhalten.«
»Du willst den ganzen Weg von der sendarischen Küste bis zum Tal laufen?« fragte er sie ein wenig erschrocken.
»So weit ist es nun auch wieder nicht, Garion.« Sie lächelte. »Was ist mit Proviant und Gepäck?«
Sie bedachte ihn mit einem belustigten Blick, und er kam sich plötzlich sehr töricht vor.
Garions Abschied von seiner Familie war sehr gefühlvoll, aber kurz. »Zieh dich warm an!« mahnte Ce'Nedra. »Wir haben Winter.« Er entschied sich dagegen, sie einzuweihen, wie seine Großmutter und er zu reisen gedachten.
»Da ist noch was«, sagte sie und reichte ihm ein Pergamentblatt. »Gib das bitte Tante Pol.«
Garion blickte auf das Blatt. Es war ein sehr hübsches Aquarell seiner Gemahlin mit Töchterchen. »Recht gut, nicht wahr?« sagte Ce'Nedra. »Sehr gut«, staunte er.
»Sieh zu, daß du jetzt weiterkommst«, mahnte sie. »Wenn du noch länger trödelst, lasse ich dich nämlich nicht mehr fort.« »Paß gut auf dich und die Kinder auf, Ce'Nedra.« »Selbstverständlich. Ich liebe dich, Eure Majestät.«
»Und ich liebe dich, Eure Majestät.« Er küßte sie, seinen Sohn und seine Tochter und verließ das Gemach.
Auf See war es ziemlich stürmisch, aber der unerschütterliche Greldik achtete nie sehr auf das Wetter, auch wenn es noch so arg war. Sein geflicktes und wahrhaftig nicht sehr gepflegtes Schiff raste vor dem Wind über eine aufgewühlte See mit mehr Segeln, als ein nur einigermaßen vorsichtiger Kapitän an seinen Masten geduldet hätte, und zwei Tage später erreichten sie die Küste von Sendarien. »Setz uns an irgendeinem abgelegenen
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