Man lebt nur zweimal
Vielleicht wünschen sie noch viel Spaß.
Reaktion zwei: Sagen sie »2:1«. Jeder echte Fußballfan würde natürlich fragen: »Für wen?« Sie werden merken. Ihre Frau nicht. »Schön«, wird sie sagen und gehen.
Möglichkeit drei: Sie sagen: »2:1«, und sie fragt tatsächlich: »Für wen?« In dieser eher unwahrscheinlichen Situation pflege ich dann zu sagen »Wenn du mir sagst, wer da spielt, dann sage ich dir, wie’s steht.« Ich habe diese Frage noch nie beantworten müssen.
Ganz Verwegene versuchen dann schon mal zu schwindeln und tippen einfach ins Blaue. Da kommen dann so verwegene Spekulationen raus.
Eine Frau, die reinkäme und fragen würde, wie es steht und auf meine Standard-Gegenfrage antworten würde: »Aber Schatz, wer weiß das nicht? Heute ist doch das zweite Gruppenspiel von Gruppe D der EM in Schweden. Wir spielen gegen Irland. Ich korrigiere – Nordirland. Ist Trapattoni eigentlich noch Trainer da?« Diese Frau, sage ich ihnen – diese Frau, die gibt’s nicht.
Ich habe einmal den Fehler gemacht und habe mit vielen Frauen Fußball geguckt. Ein Bekannter hatte mich überredet, ein WM -Spiel in einer Kneipe zu gucken. Es war so ein angesagter Laden in Schwabing. Schon als wir reinkamen, war es brechend voll. Ein paar Fotografen waren auch da. Als die mich sahen, platzierten sie sich genau vor mich, um auch ja keine Reaktionen von mir zu verpassen. Ich war schon genervt, bevor Özil den ersten Fehlpass abgegeben hatte oder Gomez wieder mal eine Glasklare versieben konnte. Noch schlimmer war nur noch, was sich hinter mir abspielte. Da saßen, rein akustisch geschätzt, an die tausend Frauen, die ihre Kommentare abgaben. Das war für mich wie ein körperlicher Schmerz. Eine Bemerkung geistesschlichter als die andere. Gequatscht wurde über alles. Vom Trikot des Torwarts bis zur Frisur vom Rechtsaußen. Nur nicht über Fußball.
Ich sehnte mich plötzlich nach der Zeit zurück, als ich mit meinem alten Freund Wolfgang Schmitz genannt die Schmitze Billa ins Müngersdorfer Stadion gegangen bin. Wir haben ein Würstchen gegessen, ein Kölsch getrunken und uns mit den Hunderten Fachleuten unterhalten. Mit Ex-Spielern vom FC . Mit alten Schiedsrichtern. Oder mit einfachen Fans, die Ahnung hatten.
Heute ist schon Stunden vor einer Fernsehübertragung die Hölle los. In der Glotze zeigen sie einen Experten nach dem anderen, die einen aber nicht wirklich schlauer machen, und in den entsprechenden Kneipen geht’s zu wie im Karneval. Völlig grundloses Gejohle und Getöse, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat. Party machen eben.
So war es auch diesmal. Man verstand sein eigenes Wort nicht mehr. Geschweige denn den Kommentator. Was aber das kleinere Übel war. Denn die Mehrzahl der Moderatoren, die sich heute in den Sendeanstalten tummeln, wird auch immer manierierter. Was die der Deutschen Sprache teilweise antun, haben die Amerikaner mit den armen Indianern gemacht.
»Einen wunder, wunderschönen guten Tag meine Damen und Herren. Ich hoffe, Sie freuen sich mit mir heute auf ein richtig, richtig gutes Spiel. Es sind schon sehr, sehr viele Zuschauer da. Wir lehnen uns erst mal unaufgeregt zurück und schauen uns die Mannschaftsaufstellungen an. Es gibt viele, viele Überraschungen aber auch ganz, ganz viel, was wir so erwartet haben. Man kann nur hoffen, dass bei der Deutschen Mannschaft heute die Zuordnung stimmt und wirklich, wirklich gegen den Ball gearbeitet wird. Das später auch ganz, ganz bestimmt die Mannschaftsteile hinter dem Ball stehen und wir viel, viel körperliche Präsenz zeigen und möglichst, möglichst die Fehler im Aufbauspiel vermeiden und ein Stück weit auf das Ziel fokussiert sind.«
Ich frage mich, warum diese vielen Berater, Regisseure, Autoren und Redakteure, die um eine Fußballübertragung herum beschäftigt sind, ihre Moderatoren nicht mal darauf hinweisen, dass man beispielsweise nicht unbedingt von Rotation sprechen muss, nur weil sich mal die Aufstellung geändert hat. Dass nicht jeder Angriff ein Konter ist. Oder warum bezeichnen sie einen Torschützen neuerdings immer als humorlos? Warum sollen Spieler unaufgeregt sein, man selbst aber tiefenentspannt? Warum muss man irgendwo aufschlagen oder was am Start haben. Warum ist nichts mehr ein bisschen, sondern alles nur noch ein Stück weit. Oder kaum noch etwas bald, stattdessen zeitnah. Warum wird vor jeden Halbsatz noch ein ich sag mal gequetscht, und weshalb sind Dinge, die man nicht machen soll, No-go’s?
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