Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Man nehme: dich und mich

Man nehme: dich und mich

Titel: Man nehme: dich und mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Bird
Vom Netzwerk:
Brotkorb hereinkam. Er war den Tränen nah.
    “Sie haben Hunger. Großen Hunger, Frankie”, erklärte er kläglich. “Und sie wollen kein Brot mehr, haben sie gesagt.”
    Frankie presste die Lippen aufeinander. Armer George. Schon für sie war das mäkelige Ehepaar schwer zu ertragen.
    “Ich hab’s versucht”, stammelte George. “Ich habe gesagt, dass es nicht mehr lange dauert, aber …”
    “Schon gut, schon gut. Du kannst nichts dafür. Warum nimmst du dir nicht einen Keks?” In Stresssituationen war das die beste Methode, um den Jungen zu beruhigen.
    Finster starrte sie auf die Hähnchen, als könne sie es durch strenge Blicke in etwas Essbares verwandeln. Halbherzig griff sie nach einem Messer. Wenn man die schwarze Haut abzog … Aber was dann?
    Erst als sie einen dumpfen Schlag hörte, fiel ihr der Fremde wieder ein. Er hatte den Rucksack abgestellt und war gerade dabei, sich die Jacke auszuziehen. Mit Schwung warf er sie quer durch den Raum, und sie landete zielgenau auf einem Stuhl in der Ecke.
    Frankie betrachtete den Mann verstohlen. Sein schwarzes T-Shirt saß eng und war ziemlich verwaschen, sodass sich seine beeindruckenden Muskeln deutlich abzeichneten. Entschlossen riss sie sich von dem Anblick los – und landete wieder bei seinen Augen. Aus der Nähe erkannte sie, dass sie gar nicht so dunkel waren, sondern dass in dem warmen Braun Fünkchen von Grün und Gold tanzten.
    Unglaublich anziehend, dieser Blick. Wenn so ein Mann einen leidenschaftlich ansah …
    Frankie schüttelte heftig den Kopf, um die ungebetenen Bilder zu verscheuchen. Was wollte dieser Kerl überhaupt in ihrer Küche?
    “Verzeihung”, sagte sie. “Zum Telefon geht’s durch diese Tür und dann rechts ins Büro. Ach ja, und machen Sie sich nichts aus dem Wasser.”
    Der Mann sah sie lediglich stirnrunzelnd an und schob sie dann sanft zur Seite, bis er selbst vor den Hähnchen stand.
    Sprachlos schaute Frankie zu, wie er in seinen Rucksack griff und ein Lederfutteral hervorzog. Mit einer schnellen Handbewegung entrollte er es, und sechs lange, glänzende Messer kamen zum Vorschein.
    Entsetzt sprang Frankie zur Seite. Vielleicht sollte
sie
jetzt zum Telefon stürzen und die Polizei anrufen?
    “Wie viele?”, fragte er streng.
    “Wie bitte?”
    Mit hochgezogenen Brauen schaute er sie an und wiederholte gelangweilt: “Wie. Viele.”
    Langsam dämmerte es ihr, was der Mann, der sich jetzt über das Geflügel beugte, vorhatte.
    “Sie sind Koch?”, fragte sie.
    “Nein, Chirurg.”
    Er nahm sie offenbar nicht ernst – aber blieb ihr denn eine Wahl? Entweder verließ sie sich auf ihre eigenen miserablen Kochkünste – oder sie vertraute diesem Fremden und seinen blitzenden Messern.
    “Zwei Zweiertische, eine Sechsergruppe”, antwortete sie rasch.
    “Okay.” Er wandte sich an Joy, und sofort wurde seine Stimme wieder sanft. “Engelchen, bitte nimm einen von den Töpfen da drüben und setz ihn mit einem Viertelliter Wasser auf, ja?”
    Joy reagierte sofort und tat, wie ihr geheißen.
    “Und du bist George, richtig?”
    George nickte eifrig, nach der überstandenen Krise und dem Keks sichtlich entspannter.
    “Schnapp dir den Salatkopf da drüben und wasch ihn unter fließendem kalten Wasser ab. Du musst jedes einzelne Blatt streicheln wie eine Katze. Verstanden?”
    Strahlend ging George an die Arbeit.
    Währenddessen machte sich der Fremde über die Hähnchen her und zog ihnen mithilfe eines Messers die verkohlte Haut ab. Er arbeitete so geschickt und schnell, dass Frankie nur wie gebannt zusehen konnte.
    Joy hatte den Topf aufgesetzt und blickte erwartungsvoll zu dem Fremden auf.
    “Sehr schön, Engelchen.” Wieder diese sanfte Stimme. “Jetzt bring mir bitte Butter, Sahne und Senf. Draußen habe ich eine Estragonpflanze gesehen – davon brauche ich ein paar Stängel. Und habt ihr tiefgefrorenes Gemüse da?”
    Frankie kam sich langsam überflüssig vor und warf trotzig ein: “Wir servieren hier nur frisches. Wir haben Brokkoli, Rosenkohl …”
    “Ich brauche etwas Kleines, Engelchen”, unterbrach er sie, an Joy gewandt. “Erbsen vielleicht? Oder geschnittene Karotten?”
    “Mais hätten wir, glaube ich”, antwortete Joy eifrig.
    “Sehr gut. Dann bring mir den – und ein Stück Bindfaden.”
    Missmutig machte Frankie ihr Platz. Ich sollte auch etwas tun, dachte sie. Aber mich fragt ja keiner.
    George kam mit dem gewaschenen Salat an, und wider Willen war Frankie beeindruckt. Unter Chuck, dem früheren

Weitere Kostenlose Bücher