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Man nehme: dich und mich

Man nehme: dich und mich

Titel: Man nehme: dich und mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Bird
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Koch, hatte George es nie geschafft, irgendetwas richtig zu machen – aber jetzt stand er stolz mit perfekt sauberen Salatblättern da.
    “Gut gemacht, George”, lobte der Fremde und reichte ihm ein Messer. “Jetzt schneid die Blätter in daumenbreite Streifen. Du musst aber nicht jedes Mal nachmessen, es braucht nicht genau zu sein. Mach es hier drüben, wo ich dich sehen kann, okay?”
    Joy kam mit einem Beutel tiefgefrorenem Mais und Bindfaden zurück. Sie lächelte selig und war offenbar bereit, alles zu tun, um dem Fremden eine Freude zu machen. “Soll der Mais ins Wasser?”, fragte sie.
    “Nein.” Er hob sein linkes Bein leicht an. “Den bindest du bitte um meinen Knöchel, sonst werd ich noch verrückt vor Schmerz.”

2. KAPITEL
    Keine zehn Minuten später konnte Frankie die Salate servieren. George waren perfekte, knackige Streifen gelungen, und das nicht nur beim Eisbergsalat, sondern auch noch bei den roten und gelben Paprika. Das Dressing hatte der Fremde aus Olivenöl, Zitronensaft und ein paar Gewürzen gezaubert.
    Inzwischen waren die sechs Besucher aus der Stadt allerdings wieder gegangen – schließlich hatten sie es nicht weit zu ihren eigenen Küchen. Die Pensionsgäste dagegen sahen aus, als würden sie Frankie vor Hunger gleich anfallen. Deshalb machte sie sich wegen des Essens auch keine großen Sorgen – egal, wie es schmeckte, Hauptsache, es kam bald auf den Tisch.
    Die Littles starrten sie vorwurfsvoll an, als sie den Salat servierte.
    “Wie schön, dass Sie es doch noch geschafft haben”, bemerkte Mr. Little bissig. “Mussten Sie erst warten, bis die Blätter groß genug waren, oder wie?”
    Angestrengt lächelnd stellte sie die Teller ab und machte sich so schnell wie möglich auf den Rückweg, hörte aber gerade noch, wie Mr. Little sagte: “Mein Gott. Das ist … essbar.”
    Fantastisch, der Salat war dem Superman-Küchenchef also schon mal gelungen. Aber ob er bei dem Hähnchen auch solches Talent bewies?
    Als Frankie wieder in die Küche kam, fragte sie sich nebenbei, warum sie so überkritisch war – schließlich rettete der Fremde ihr gerade das Leben. Doch entglitt ihr der Gedanke vor Überraschung, als sie George sah: Er war gerade dabei, seine geliebten Rosinen-Vollkornkekse auf einem Tuch auszubreiten.
    “Und wenn wir soweit sind, halten wir sie über das kochende Wasser, okay, Georgie?”, sagte der Fremde mit dieser sanften Stimme. “Dadurch werden sie schön weich.”
    Völlig hingerissen sah Frankie zu, wie der Mann, ohne ein einziges Mal innezuhalten, aus verbranntem Huhn, Resten und Vollkornkeksen ein Abendessen kreierte. Zwanzig Minuten später richtete er auf den Tellern mit dem
White-Caps
-Logo Hähnchen in einer cremigen Sauce an, von der ein himmlischer Duft aufstieg.
    “Jetzt bist du dran, Engelchen, folge mir.”
    Direkt hinter ihm streute Joy Kräuter auf die Tellerreihe, dann fing der Fremde wieder vorne an, packte Reis in Kaffeetassen und stürzte die runden Formen auf die Teller. Schließlich befahl er: “Servieren.”
    Frankie reagierte sofort und nahm alle vier Teller auf einmal auf, so wie sie es schon als Teenager gelernt hatte.
    “Joy, du räumst ab”, rief sie auf dem Weg nach draußen.
    Joy überholte sie auf dem Weg in den Speisesaal und räumte die Salatteller ab, bevor Frankie das Hauptgericht auftrug.
    Zwei Stunden später war alles vorbei. Nach dem Dessert, einer traumhaften Schichtspeise, der niemand mehr die Herkunft aus einer Packung Kekse ansehen konnte, verließen die Gäste den Speisesaal satt und zufrieden. Ja, sie schwärmten geradezu vom Essen – sogar die mäkeligen Littles. Die Küche war wieder aufgeräumt, und Joy und George glühten vor Stolz über die gute Arbeit, die sie unter Anweisung des Fremden geleistet hatten.
    Nur Frankie war nicht zufrieden.
    Sie hätte dem Mann mit den glänzenden Messern und flinken Händen eigentlich auf Knien danken müssen. Aber normalerweise war sie diejenige, die jede Situation rettete, und es gefiel ihr gar nicht, ihren Heldenstatus an einen Wildfremden abzutreten. Schon gar nicht an einen, der mit einem Beutel Tiefkühlmais um den Knöchel ihre Küche als sein Zuhause zu betrachten schien.
    Er ließ sich alle Zeit der Welt, seine Messer zu säubern und wieder sorgfältig in dem Futteral zu verstauen, das er in den Rucksack zurücksteckte. Erst jetzt fiel Frankie ein, dass er noch immer nicht in die Nähe des Telefons gekommen war.
    “Wollen Sie jetzt telefonieren?”, fragte sie.

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