Mann mit Anhang
Spaghetti und die Karaffe mit leichtem Rotwein, die immer
auf dem Tisch standen.
Nico, mit dem klaren Profil und
den schönen, vollen Lippen, lehnte sich zurück. Er lächelte nur. Er wollte
weiter nichts als fotografieren, und der Vater wußte, daß er seinen Willen
durchsetzen würde. Sie hatten denselben eisenharten Schädel, den rasch
aufflammenden Zorn und letzten Endes auch denselben Ehrgeiz, es in ihrem Beruf
zu etwas zu bringen.
Nachdem er sich in dem Fotogeschäft
die handwerklichen Griffe angeeignet hatte, war er ausgetreten und hatte sich
als freier Bildreporter versucht. Er hatte viele Rückschläge einstecken müssen,
aber sie hatten ihn nicht daran hindern können, sein Ziel mit einer
unglaublichen Zähigkeit weiterzuverfolgen. Seine Zeit würde kommen. Er glaubte
an sich und an seine Zukunft, er glaubte auch an seinen guten Stern. Heute
waren es nur wenige Zeitschriften, die hin und wieder ein Bild von ihm
brachten, aber morgen würden es mehr sein, und eines Tages würden seine Bilder
überall Anerkennung finden.
Die Fotoserien, die er machte,
zeugten von einem eigenwilligen Auge und einer außergewöhnlichen
Beobachtungsgabe, sie waren Dokumente einer Art, die von den Zeitschriften
nicht geschätzt wurde. Seine Bilder waren nicht sensationell, sie rückten
unbequeme Perspektiven in den Mittelpunkt und wiesen auf das Morbide und
Zerbrechliche des modernen Menschen und seiner Welt hin. Und das wollte niemand
gern sehen! Auch Papa Orlano wünschte solchen Bildern in den Zeitschriften, die
er abends nach dem Essen durchblätterte, nicht zu begegnen. Sie hätten ihn
beunruhigt und ihn an der Gediegenheit seines Weltbildes zweifeln lassen.
Dennoch hing er an Nico, den er für einen Phantasten hielt, mehr als an seinen anderen
Kindern.
Er wischte sich nach dem Essen
mit seiner großen Serviette den Mund ab und nahm Nico mit hinüber in sein
Arbeitszimmer. »Du wolltest mit mir sprechen«, sagte er, und seine dichten
Augenbrauen standen wie Schuhbürsten in seinem Gesicht. Nico blieb mitten im
Zimmer stehen und fuhr mit der Rechten in den Wirrwarr seiner Locken. »Du
hältst nichts von mir, Papa, du glaubst nicht an mich, du magst meinen Beruf
nicht, und meine Freunde magst du auch nicht«, begann er.
Orlano saß in seinem breiten Ledersessel,
den er ganz ausfüllte. Er hatte den Kopf gegen die Rückenlehne gelegt und ließ
seine Augen prüfend auf seinem Ältesten ruhen. »Wenn ich dich hier so stehen
sehe, halte ich sehr viel von dir. Du bist ein Bärenkerl. Und kein Dummkopf.
Schließlich bist du mein Sohn.«
Nico wurde nervös. Er kannte
diese zermürbende Taktik des Vaters. Sie war wie die samtweiche Glätte des
Meeres, bei dem man nie vergessen durfte, wieviel Kraft, Zorn und
Gewalttätigkeit unter der glatten Oberfläche schlummerten.
»Ich weiß, daß ich dein Sohn
bin«, antwortete er.
»Warum setzt du dich nicht?«
Nico überhörte die
Aufforderung. Er stand lieber. Er hatte dann mehr Raum für große Gesten und
Posen. Die Orlanos liebten Posen. Ohne Posen und untermalende Handbewegungen
wären ihnen ihre Reden wie eine Suppe ohne Würze vorgekommen.
»Ich will heiraten«, sagte Nico
und schob verbissen die Unterlippe vor.
Enrico zeigte sich nicht
überrascht. »Ja, das wollen wir alle in einem gewissen Alter. Wir wollen Frau
und Kind haben, damit wir wissen, wofür wir schuften.«
»Ja.«
»Du willst also deine
blödsinnige Knipserei an den Nagel hängen und was Vernünftiges arbeiten? Ein
erlauchter Gedanke!«
»Ich muß dich enttäuschen,
Papa. Ich will nicht mit Südfrüchten handeln und auch nicht mit Autos. Ich will
überhaupt mit nichts handeln. Ich will fotografieren und mir einen Namen
machen.«
»Einen Namen? Reicht dir Orlano
nicht?«
Enrico holte tief Atem. Seine
breite, gutgepolsterte Brust spannte sich unter dem weißen Hemd. Einen
Augenblick schien es, als wolle er den Ledersessel, in dem er Audienz hielt,
sprengen. Seine Stimme dröhnte mächtig: »Du willst dir also deine Lorbeeren
weiterhin mit Bummeln verdienen. Motive jagen! Herrgott im Himmel! Mit Bildern
hausieren gehen und auf Redaktionen herumlungern. Und über deinen Vater und
seinesgleichen die Nase rümpfen. Die Künstlernase! Euch Brüder kenne ich. Macht
euch keine Sorgen, habt keine Verantwortung, habt kein Geld. Aber Allüren,
jawohl! Und große Rosinen im Kopf.«
Plötzlich öffnete sich die Tür,
und in ihrem Rahmen erschien der Rest der Familie Orlano, die Signora, Carita,
Francesca, Vera und
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