Mann mit Anhang
mehr, Papa.«
»Oho?«
»Na ja, es fallen doch manchmal
Flugzeuge ‘runter.«
Noch weinend löste sie sich von
seinem Hals und schlang ihre Arme um Jeannette. »Da haben Sie sich was Schönes
aufgebürdet, aber ich bin sehr glücklich, daß Sie sich seiner annehmen. Ich
habe viel zuwenig Zeit, mich richtig um ihn zu kümmern.«
Jeannette küßte Goggi auf die
Wangen. »Wo ist der Prachtkerl?«
»Nico? Hier.«
Nico beugte sich über
Jeannettes Hand. In seinen Augen stand Bewunderung. »Sie sind um zwanzig Jahre
jünger geworden, seit ich Sie in München sah.«
Jeannette dankte mit einem
Kopfnicken. »Eigentlich meinte ich nicht diesen Prachtkerl, sondern den
sogenannten Nico Zwo. Wo ist er?«
Goggi legte den Finger an den
Mund. »Pst, um Gottes willen, daß er nicht noch einmal zu neuen Taten erwacht.
Er ist eben von der Müdigkeit gebändigt worden. Seit er aus Spanien
zurückgekommen ist, ist er außer Rand und Band. Der tägliche Kampf mit den
Wellen fehlt ihm. Ich glaube, wir müssen ihm hier ein künstliches Meer
anlegen.«
Nico umfaßte Goggi.
»Der echte Sohn seiner Mutter.«
»Ach was, er ist ein
Original-Orlano durch und durch, er tobt und redet und ißt den ganzen Tag. Noch
zwei solche, und ich bin erledigt.«
»Wollen wir uns hier alle
durchweichen lassen?« sagte Ronald und schüttelte den Regen vom Haar. »Komm,
Jeannette.«
Aus dem Hintergrund der Diele,
wo sie abwartend gestanden hatte, schritt die Muhr gemessen auf Ronald zu. Sie
sah ihn mit gütig-strengen Generalsblicken an. »Willkommen zu Haus, Herr
Gutting.«
Ronald schüttelte ihre Hand.
»Ich freue mich so.« Sein Blick suchte die alte Pappel, die in diesem Sommer
hatte sterben müssen. Das neugedeckte Dach der Garage glänzte im Regen. Er trat
von der Haustür zurück und nahm Jeannettes Arm. »Und dies, Fräulein Muhr, ist
meine zukünftige Frau.«
Die Muhr verzog keine Miene,
aber ihr Ton war nicht unfreundlich. Offenbar hatte sie auf diesen kritischen
Moment trainiert. »Es ist gut, daß Herr Gutting nicht mehr allein ist. Er
raucht zuviel, arbeitet zuviel, ißt zuwenig und schläft zuwenig. Mir ist es
nicht gelungen, ihn zu einer vernünftigen Lebensweise zu bringen.«
»Was gibt’s Neues?« fragte er
aufgekratzt.
Goggi stand dicht bei ihrem
Mann und schoß einen ihrer schillernden Bhcke auf ihn ab. »Der Arzt meint, daß
ich Zwillinge bekomme«, erklärte sie trocken.
»Na, wie es Gott gibt«,
murmelte Ronald.
»Nico und ich wollen uns ein
kleines Haus bauen«, erklärte Goggi eifrig. »Wir haben schon einen Bauplatz
aufs Korn genommen.«
»Kleines Haus! Da bin ich sehr
dagegen bei der Orlanoschen Familienpolitik. Wohnblock würde ich vorschlagen.«
Jacky brachte Jeannette seinen
alten, zerbissenen Gummiball. Er legte ihn vor sie hin und hob seine
goldbraunen Augen zu ihr. Bitte werfen! Und zwar immer wieder, sobald ich ihn
dir zurückbringe, ungefähr tausendmal.
Jeannette bückte sich nach dem
Ball. Sie hatte ihn verstanden. Ronald atmete auf. Die Brücke zwischen Jacky
und Jeannette wäre also geschlagen. »Was um Gottes willen ist denn das?« fragte
er fassungslos und starrte durch die offene Tür ins Eßzimmer, von wo ihm eine
ganze Wand voll kräftiger Farben entgegenprallte.
»Das da?« Goggi kniff die Augen
zusammen. »Ein Bildchen. Paul hat es gemalt, es ist das kleinste von allen. Die
Bucht von Altea.«
Ronald trat näher. Es war ein
wunderbares, kraftvolles Gemälde, aber es paßte in seinen Ausmaßen eher in
einen Rittersaal als in ein Stadthaus. »Großartig, wirklich. Findest du nicht,
Jeannette?«
Jeannette betrachtete es ernst.
»Sein Stil hat sich sehr verändert — seit damals. Ich finde das Bild
ausgezeichnet, man ist mittendrin in dem sonnigen, dunstigen,
schwermütig-heiteren Südspanien. Kommt Paul Uckermann bald, ich möchte ihn
gerne wiedersehen?«
»O ja, bald. Er wird in einer
halben Stunde da sein«, entgegnete Goggi.
»Das ist gut«, sagte Jeannette
einfach. Ronald las in ihrem Gesicht, daß sie mit Paul Uckermann Frieden machen
wollte.
Als er ihr den leichten
Reisemantel abnahm, trafen sich ihre Blicke. Endlich zusammen und endlich zu
Hause. Sie lächelten einander wissend zu.
ENDE
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