Manta 02 - Orn
Elas zuschlug. Wie eine herabfallende Kokosnuß kam der Kopf mit aufgerissenem Rachen nach unten. Die Wucht des Angriffs riß den kurzflossigen Körper ein Stück aus dem Wasser, und die Kiefer schnappten eine Schnabellänge von Orns Schwanzfedern entfernt zu.
So weit hatten ihn seine Erinnerungen gewarnt: Der Elas ernährte sich, indem er hinter einem Fisch herschwamm und plötzlich seinen Schädel nach vorne schleuderte, um die Beute zu packen, bevor sie entkommen konnte. Hätte Orn seinen Sprung nicht schon gemacht, als die Bewegung begann, wäre er verloren gewesen. Ein zu schneller Sprung wäre auch tödlich gewesen, denn der Elas konnte seinen Hals zu einer Doppelspirale verdrehen, und kleine Korrekturen waren Routine für ihn.
Aber jetzt war das Reptil in Schwierigkeiten. Gewohnt, seinen Kopf beim Fischfangen unter die Wasseroberfläche zu tauchen, hatte es nicht bedacht, daß Land etwas anderes war. Es hatte seine Schnauze hart auf den Grund krachen lassen. Die Kiefer waren tatsächlich in der Höhe von Orns Körper zugeschnappt, aber Reflex und Schwung hatten Hals und Kopf nach unten befördert. Nun war sein Hals in voller Länge auf dem Grund ausgebreitet, und sein Rachen blutete, wo die Zähne auf Felsen und Erde geschlagen waren. Ja, der Elas war wie verrückt. Normalerweise wäre er in Landnähe vorsichtiger gewesen.
Orn wirbelte herum und schlug nach dem ungeschützten Nacken, nahe der Stelle, an der dieser in den Torso überging. Die Kreatur war jetzt verwundbar, aber würde in ihrer Wut tödlich sein, wenn sie die Orientierung wiederfand. Er trieb seine Krallen in die glänzende, glatthäutige Säule und suchte mit dem Schnabel nach einer lebenswichtigen Stelle. Aber die Masse des Fleischs war zu groß und zu fremd. Er wußte nicht, wo die entscheidenden Sehnen lagen, und Krallen und Schnabel waren inmitten der Speckschichten verloren.
Elas stieß einen hohen, quietschenden Schrei aus und zog seinen Hals mit einer mächtigen Spiralbewegung zurück. Der Kopf fuhr herum, um Orn von der Seite zu packen, und er war unfähig, sich sofort zu lösen, weil seine Glieder festhingen. Hilflos wurde er in die Luft gehoben, mit baumelnden Beinen.
Ornette sprang ihm zu Hilfe. Sie zielte mit ihrem Schnabel nach dem Auge des Reptils, aber der Elas wandte sich blitzschnell in ihre Richtung und traf sie mit weit aufgerissenem Rachen. Sie kreischte ein einziges Mal mitleiderregend auf, als sich die spitzen Zähne um ihren Flügel und ihre Brust schlossen. Dann wurde sie nach oben getragen.
Orn kämpfte sich frei und stürzte ins Wasser, eine Flügelspanne von der Vorderflosse des Reptils entfernt. Abermals versuchte er anzugreifen, aber der Elas paddelte bereits mit der baumelnden Ornette davon.
Verfolgung war sinnlos. Orn konnte den Elas weder packen noch verletzen, und Ornette war bereits tot.
Orn kletterte zurück auf die Insel, blutverschmiert und niedergeschlagen. Es war nicht exakt Gram, den er verspürte, sondern ein schreckliches Bedauern. Ornette war gestorben, als sie ihn verteidigen wollte, genauso wie er bei ihrer Verteidigung und der des Eis gestorben wäre. Nun war ihre Partnerschaft aufgelöst, und er war wieder allein.
Bis auf das Ei! Das Wichtigste war gerettet worden.
Die Quilon wärmte es noch immer. Sie hatte sich während des Kampfes nicht bewegt, und das war richtig so gewesen. Ornette würde den Elas nicht angegriffen haben, wäre das Ei nicht ohne ihren Schutz sicher gewesen. Nichts ging über dieses Ei.
Wieder überkam ihn die Seltsamkeit: Gestrandet auf einem ungeschützten Eiland, er ohne seine Partnerin, die Säugerin ohne den ihren, und sie bewachten beide ein Ei, das keiner von ihnen gelegt hatte.
Was gab es sonst zu tun, als weiterzumachen?
XVIII Veg
Veg erlangte das Bewußtsein unter Schmerzen wieder. Er lag an einem rauhen Strand, mit dem Gesicht an einem nassen Felsen, den Füßen im Wasser, und ihm war heiß. Er wußte nicht, wo er war oder wie ei hierher gekommen war. Sein Schädel brummte, er war durch und durch durchnäßt, und auch ansonsten fühlte er sich alles andere als kräftig.
Vorsichtig setzte er sich aufrecht und wartete darauf, daß das anschließende Schwindelgefühl vorüberging.
Der Strand war nicht der Rede wert, kaum mehr als ein Intervall zwischen See und Land, und das Land selbst war spärlich. Tatsächlich war es nichts anderes als eine Felsennadel, die aus den Wellen emporragte, mit einem einzigen Vorsprung, auf dem er saß. Ähnlich den
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