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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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»In Wirklichkeit sind Sie mein Augapfel, Purse. Und Sie
bleiben vor Gericht dabei?«
    Riehe nickt unsicher. »Sagen
Sie mir, dass es so ist, Richard. Oder sagen Sie mir, dass es nicht so ist.
Wir wollen klar sehen. Seien Sie so nett, es jetzt zu sagen, wenn Sie glauben,
Ihr Mut könnte Sie verlassen. Wenn wir noch einen Prozess verlieren, können wir
uns von unserem Lebensunterhalt verabschieden. Und all unsere Arbeit wird
vergeblich sein.«
    »Verstehen Sie, er konnte ihr
nicht widerstehen, der Chance, mich eines Besseren zu belehren«, sagt Riehe.
»Er lässt es nie in Vergessenheit geraten, wie ich mich als Student verhalten
habe. Er benutzt mich für eine Moralpredigt. Als o gut, er soll seine nächste
Predigt auf dem Richtblock halten.«
     
    Am Vorabend des Tages, an dem
Fisher sterben soll, besucht er More. Er hat eine starke Wache dabei, aber er
lässt die Männer in der äußeren Kammer und geht allein hinein. »Ich habe mich
daran gewöhnt, dass die Fensterblende geschlossen ist«, sagt More, beinahe
fröhlich. »Es macht Ihnen doch nichts aus, in der Dämmerung zu sitzen?«
    »Sie brauchen keine Angst vor
der Sonne zu haben. Sie scheint nicht.«
    »Wolsey hat immer damit
geprahlt, dass er das Wetter beeinflussen könnte.« Er kichert. »Es ist gut von
Ihnen, mich zu besuchen, Tho mas, jetzt, da wir uns nichts mehr zu sagen haben.
Oder haben wir das?«
    »Die Wachen werden morgen sehr
früh kommen, um Bischof Fisher zu holen. Ich fürchte, sie werden Sie
aufwecken.«
    »Ich wäre ein schlechter
Christ, wenn ich nicht die Vigil mit ihm halten könnte.« Sein Lächeln ist
versickert. »Ich habe gehört, dass der König ihm Gnade gewährt hat, was die Art
seines Todes betrifft.«
    »Er ist ein sehr alter Mann
und gebrechlich.«
    More sagt mit beißender
Freundlichkeit: »Ich tue mein Bestes, wissen Sie. Aber ein Mann schrumpft nur
in seinem eigenen Tempo.«
    »Hören Sie.« Er greift über
den Tisch, nimmt Mores Hand und drückt sie: fester, als er wollte. Mein
Schmiedegriff, denkt er: Er sieht, dass More zusammenzuckt, und spürt seine
Finger; die Haut über den Knochen ist so trocken wie Papier. »Hören Sie. Wenn
Sie vor Gericht kommen, sollten Sie sich sofort der Gnade des Königs
unterwerfen.«
    More sagt verwundert: »Wozu
sollte das gut sein?«
    »Er ist kein grausamer Mann.
Das wissen Sie.«
    »Weiß ich das? Früher war er
es nicht. Er hatte ein liebenswürdiges Naturell. Aber dann hat er eine andere
Sorte von Menschen um sich geschart.«
    »Er ist immer für eine Bitte
um Gnade empfänglich. Ich sage nicht, dass er Sie am Leben lassen wird, da der
Eid ungeschworen ist. Aber er könnte Ihnen dieselbe Gnade gewähren wie Fisher.«
    »Es ist nicht so wichtig, was
mit dem Körper geschieht. Ich habe in mancherlei Hinsicht ein gesegnetes Leben
geführt. Gott war gut zu mir und hat mich nicht geprüft. Jetzt, da er es tut,
kann ich ihn nicht im Stich lassen. Ich habe über mein Herz gewacht, und ich
habe nicht immer gemocht, was ich dort gefunden habe. Wenn es am Ende in die
Hand des Henkers gerät, so sei es. Es wird bald danach in Gottes Hand sein.«
    »Halten Sie mich für sentimental,
wenn ich sage, dass ich nicht sehen will, wie Sie abgeschlachtet werden?« Keine
Antwort. »Haben Sie keine Angst vor den Schmerzen?«
    »Oh ja, ich habe große Angst,
denn ich bin kein mutiger und robuster Mann wie Sie und ich komme nicht umhin,
es mir in Gedanken auszumalen. Aber ich werde es nur für einen Augenblick
spüren, und Gott wird dafür sorgen, dass ich mich danach nicht mehr daran erinnere.«
    »Ich bin froh, dass ich nicht so bin wie Sie.«
    »Zweifellos. Denn sonst säßen Sie hier.«
    »Ich meine, dass meine
Gedanken nicht auf die nächste Welt fixiert sind. Ich schließe daraus, dass Sie
keine Möglichkeit sehen, diese zu verbessern.«
    »Und Sie tun es?«
    Eine geradezu leichtfertige
Frage. Eine Handvoll Hagel schlägt mutwillig gegen das Fenster. Das schreckt
sie beide auf; er steht auf, ruhelos. Er würde lieber wissen, was draußen los
ist, das traurige windige Wrack von Sommer in Augenschein nehmen, als in einem
abgedunkelten Raum zu hocken und sich zu fragen, welcher Schaden angerichtet
wird. »Einmal hatte ich alle Hoffnung«, sagt er. »Aber die Welt setzt mir zu.
Oder vielleicht ist es nur das Wetter. Es zieht mich hinunter und lässt mich
denken wie Sie, dass man im Inneren schrumpfen sollte, immer weiter
zusammenschrumpfen bis auf einen kleinen Lichtpunkt, der die eigene einsame
Seele wie

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