Mantramänner
ich an einem Partyabend jemanden kennenlernte. Oder ob ich einfach nur allein sein wollte unter Menschen und mir dabei die Seele aus dem Leib tanzen.
Doch dann kam unweigerlich der Moment, in dem Teil zwei meiner
eisernen Regel in Aktion trat. Die Frage, was man sagen durfte. Und wann. Und diese Frage beantwortete ich scheinbar seit Jahren falsch.
Jedenfalls dauerten meine Beziehungen noch immer nicht deutlich länger als mit vierzehn. Und allmählich fragte ich mich, ob es an mir lag, dass ich allzu häufig ein hektisches »Ich ruf dich an« von verschiedenen Kerlen gehört hatte und dann nie wieder etwas. Gegen diese Selbstzweifel half auch Mellis Der-hat-dich-doch-gar-nicht-verdient-Mantra nicht mehr so richtig.
Dabei hatte ich mir die ganz großen Klopper in den letzten Jahren ja schon verkniffen. Vor allem diese leidige Angewohnheit mit den Babys. Jedes Mal, wenn ich einen Mann toll fand, musste ich zwanghaft darüber nachgrübeln, wie wohl unser gemeinsames Kind aussehen würde. Es war immer eine entzückende Vorstellung, selbst wenn der Mann eine Nase vom Ausmaß eines Airbus 320 hatte. Manchmal suchte mein Hirn auch schon einen Namen für das Baby aus, ehe ich mich überhaupt einmischen konnte. Dann dachte ich an den kleinen Finn, während ich einen Kerl anschmachtete. Oder an die entzückende Emily. Ich konnte nichts dafür, es war eher wie eine innere Warnblinkanlage, die mir signalisierte: Vorsicht, Gefühl im Spiel!
Nur blöd, dass mir das ständig passierte.
Ein einziges Mal hatte ich vor Jahren den Fehler gemacht, meine Gedanken mit einem Mann zu teilen. Selber schuld, fand ich hinterher. Schließlich hatte er sich innig auf dem Sofa an mich geschmiegt und gefragt, was ich gerade dachte. Diese Frage hat er danach wahrscheinlich nie wieder einer Frau gestellt. Jedenfalls, als ich anfing, ihm ein Baby mit seinen hübsch geschwungenen Augenbrauen und meinen runden Ohren zu beschreiben, hatte er plötzlich noch einen ganz dringenden Termin.
Jahrelang hatte ich danach nichts mehr von ihm gehört, bis ich zufällig hörte, dass er ausgerechnet in die vegane WG von Mellis Bruder eingezogen war. Außerdem fand Melli heraus, dass der Kerl schon lange eine feste Beziehung hatte.
Mit einem Mann.
Das gab mir dann doch zu denken. Nicht etwa, weil ich ein Problem mit Schwulen hatte. Aber der Gedanke ließ mich nicht los, dass mein Baby-Bekenntnis irgendwie daran schuld war. Einfach zu viel geballte Weiblichkeit. Jedenfalls habe ich danach nie wieder von Babys angefangen.
SARVANGASANA
Der Schulterstand (Sarvangasana) führt zu körperlicher, seelischer und geistiger Ganzheit. Wie alle Umkehrstellungen gibt er eine neue Perspektive auf das Leben und hilft, Unabänderliches zu akzeptieren.
Am Morgen nach Mellis Party öffnete ich gegen halb zwölf die Augen und bereute es sofort. Es gab nichts zu sehen. Wenigstens nichts Interessantes. Ich wankte ins Wohnzimmer. Auch nicht besser. Der Ficus auf der Fensterbank ließ melancholisch ein Blatt fallen. Unter einem Schwarz-weiß-Poster vom Empire State Building stand das blaugeblümte Stoffsofa und sah unglücklich aus. Manchmal fragte ich mich, wann es seine Sachen packen und mich verlassen würde. Es hätte allen Grund gehabt, denn ich war nicht nett zu ihm. Ich glaube, wirklich gesessen hatten auf ihm zuletzt Melli und Nadine, nachdem sie mir beim Umzug geholfen hatten. Damals war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler gewesen. Seitdem hatten die blauen Blumen kein Tageslicht mehr gesehen, sondern nur noch Gerümpel von unten. Beihefter aus Fernsehzeitschriften, T-Shirts, die für den Wäschekorb zu sauber und für den Schrank zu schmutzig waren, drei italienische Visitenkarten und ein Laptopkabel.
Ich fegte die Stapel beiseite, ließ mich auf das Sofa fallen und machte die Augen wieder zu. Das war auch keine gute Idee. Eine Horde ungepflegter Kobolde tanzte Pirouetten zwischen Hirnrinde und Mandelkern. Oder wo man in einem verkaterten Kopf eben so tanzen konnte.
Musik. Mit Musik konnte es nur besser werden. Ich öffnete die
Augen halb, das schien mir ein guter Kompromiss. Dann drückte ich probehalber auf einen Knopf der Fernbedienung. Nichts passierte. Nach einer gefühlten halben Stunde kam ich schließlich auf die Idee, die Fernbedienung einfach umzudrehen. Brav sprang das Radio an. Ging doch. »Julia said«, schmalzte es aus den Boxen, und ich setzte mich vorsichtig auf. Nicht dass es mich besonders interessierte, was Julia zu sagen hatte. Aber gemein
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