Manuskript des Teufels
dass es nicht in dritte Hände gerät‘.“ Pater Aloisius schloss kurz die Augen und es sah aus, als müsse er zu sich kommen, bevor er weiter sprach. „Drei Tage hatten die Gespräche in Aachen gedauert. Der Bischof war der gleichen Meinung wie wir, bezeichnete es als ‚diabolischen Sprengstoff‘ und ordnete an, es in einem absolut sicheren Versteck im Kloster aufzubewahren. Er hat mir mit aller Schärfe im Namen Gottes und der Heiligen Kirche die Verantwortung dafür übertragen, dass niemals mehr ein Mensch dieses Manuskript zu Gesicht bekommen werde. Er müsse wegen der Brisanz des Textes umgehend den Vatikan informieren. Für das weitere Procedere solle die Beurteilung aus Rom abgewartet werden. Gut zwei Wochen später hat der Päpstliche Nuntius von Deutschland den Aachener Bischof persönlich aufgesucht und die Entscheidung der Römischen Curie überbracht. Darin war die strikte Anweisung enthalten, das Manuskript und eventuelle Duplikate oder elektronische Speicherungen zu vernichten. Vom Autor wird eine notariell beglaubigte, schriftliche Erklärung verlangt, dieses Gedankengut nie mehr an Dritte weiter zu geben und auch auf die Veröffentlichung von Teilbereichen oder von ähnlichen Texten zu verzichten. Dann folgte sogar eine Drohung. Sollte Professor Stephan D’Aubert diesem Abkommen nicht in allen Punkten zustimmen, muss er mit der Exkommunikation und dem sofortigen Entzug der Lehrerlaubnis an einer theologischen Lehranstalt rechnen. Der Vatikan behält sich vor, im ökumenischen Sinne alle christlichen Religionen in Amerika, in Russland und England zu informieren. Ebenso soll die jüdische Kirche in Kenntnis gesetzt werden. Denn der Tanach, das Alte Testament, ist ja die Bibel des Judentums. Er verriet uns auch noch, dass einige Kurienkardinäle bei einer Veröffentlichung Revolution und Anarchie befürchten. Die dogmatischen und hierarchischen Fundamente der Religionen und der Kirchen würden erschüttert. Rom schließt nicht aus, selber die Initiative zu ergreifen, um alles, aber auch alles zu unternehmen, den geistigen Vater und Autor dieser Blasphemie, so wurde es wortwörtlich bezeichnet, mundtot zu machen. Ja, um Himmels Willen“, stöhnte Pater Aloisius mit sorgenvoller Miene, „was kann man nicht alles unter einer solchen Androhung verstehen?“
D’Aubert starrte ihn an. „Das muss ich erst einmal verkraften. Ich verstehe diese Reaktionen nicht. Wieso bin ich plötzlich der Geächtete?“
„Stephan, beruhige dich! Dass dein Manuskript einen solchen Aufruhr auslöst, hätte ich im Traum nicht gedacht. Du brauchst dich auch nicht zu rechtfertigen oder Gegenargumente aus dem Hut zu zaubern. Die Beurteilung und die Verurteilung kommen aus berufenem und erfahrenem Munde, da ist kein Platz für ein Wenn und Aber. Als dein bester Freund gebe ich dir den gut gemeinten Rat, mach dir die Meinung der Kirche zu Eigen. Wer nicht weiß, dass du ein gläubiger Mensch und Theologe bist, könnte meinen, dieses Manuskript sei tatsächlich aus der Feder des Teufels geflossen.“
Pater Aloisius stand abrupt auf, drückte den schlaff von seinem Stuhl hochkommenden Freund fest an sich: „Mein Herzensbruder, ich möchte dir einen Rat geben: Vergiss dein Meisterwerk. Es darf nie und nimmer veröffentlicht werden. Bring mir so bald wie möglich die geforderte eidesstattliche Erklärung. Zunächst werden wir, wie uns der Nuntius befohlen hat, das verbotene Manuskript in einem sicheren Versteck hier im Klostergemäuer aufbewahren. Nur zwei Menschen, der Abt und ich, kennen den Ort, an dem deine Schrift innerhalb der Klostermauern unauffindbar aufbewahrt wird. In Abstimmung mit Dom Domenic werde ich auch dich, den geistigen Vater der Schrift, mit dem Geheimnis des Versteckes vertraut machen. Es ist übrigens so perfekt gewählt, dass es nach menschlichem Ermessen nicht entdeckt werden kann.“ Es folgte ein langgezogenes Aber: „Aber, man weiß ja nie. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass jemand, der das Manuskript trotzdem, aus welchem Zufall auch immer, aufstöbern würde, nicht in seinen Besitz gelangen kann.“
D’Aubert überlegte einen Augenblick: „Warum habt ihr das von euch verfluchte Teufelswerk, wie ihr es nennt, nicht gleich vernichtet?“
Pater Aloisius schien einen Augenblick nachdenken zu müssen: „Wir haben daran gedacht. Aber zwei Gründe hinderten uns. Einmal aus Respekt vor dir und deiner außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistung. Zum anderen würde es niemanden hier
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