Manuskript des Teufels
ins erholsame Nichts.
Er nahm in seinem ergonomisch gearbeiteten und trotzdem bequemen Schreibtischsessel wieder Diensthaltung an und griff zum Hörer seines grünen Telefons, der Direktverbindung zum engsten Vertrauten des Papstes, zu dessen langjährigem Privatsekretär.
„Hallo Gregor, ich brauche dringend einen Gesprächstermin mit euch beiden. Es geht um eine hochbrisante Geschichte, die keinen Aufschub verträgt.“
Er vernahm überraschtes Schweigen, doch nach einigen Bedenksekunden erhielt er eine Antwort: „Doch hoffentlich nicht wieder eine neue Variante der Maulwurfaffäre?“
„Nein, nein. Gott sei Dank nicht. Doch das, um was es hier geht, kann wesentlich mehr Porzellan zerschlagen als alle bereits erwischten und noch unbekannten Maulwürfe zusammen. Es geht, theatralisch formuliert, um eine teuflische Angelegenheit.“
Und wieder eine kurze Pause: „Momento, Marcello, bleib am Apparat, ich frag eben nach.“
Mozarini wunderte sich darüber, dass er in diesem Augenblick unbändige Lust auf die auch in Italien geschätzten und beliebten Aachener Printen verspürte. Er überlegte gerade, wie und wo er sich welche besorgen könnte, als Gregor sich wieder meldete: „Komm am besten sofort herüber, der Papst möchte unverzüglich informiert werden.“
„Gut, bin in zehn Minuten bei euch.“
Unterlagen brauchte Mozarini keine mitnehmen, es gab ja keine.
Die Residenzen des Kardinalstaatssekretärs und die des Papstes befanden sich im Apostolischen Palast und lagen nur einige Flure, die mit roten Teppichläufern ausgelegt waren, und eine Steintreppe zur nächst höheren Etage voneinander entfernt. Für die zahlreichen, teils Jahrhunderte alten und äußerst wertvollen Skulpturen und Gemälde, an denen er auf seinem Weg vorbei kam, hatte er momentan keinen Blick. Zu sehr war er in Gedanken damit beschäftigt, wie er die unfassbare Hinterlassenschaft des deutschen Bischofs mit Feingefühl, aber auch mit der nötigen Dringlichkeit vortragen könne.
Obwohl er schon zahlreiche Gespräche mit dem Papst geführt hatte, beeindruckte ihn immer wieder aufs Neue die schlichte und gleichzeitig prächtige Eleganz des heiligsten Arbeitsplatzes der Welt. Jedes Mal, wenn er mit dem Mittelgelenk seines gebeugten rechten Zeigefingers kräftig gegen die massive Holztür pochte, hatte er Sorge, dass man sein Anklopfen drinnen nicht wahrnehmen würde.
Aber, wie immer, öffnete der sympathisch wirkende, freundlich lächelnde, aus dem Schwarzwald stammende Privatsekretär des Papstes die schwere Tür, begrüßte ihn und bat ihn, einzutreten.
Der Heilige Vater, in seiner weißen Soutane, dem weißen Pileolus auf dem Haupt und dem goldenen Pektorale auf der Brust, hatte sich erhoben und streckte ihm zum Gruß beide Arme entgegen. „Kommen Sie herein, mein lieber Mozarini, setzen Sie sich zu mir und verraten Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.“
Wieder einmal verspürte Kardinal Marcello Mozarini die gewaltige Aura, die von diesem alten, weisen, gutmütigen und zutiefst frommen Mann ausging.
Die Information fiel, wie nicht anders zu erwarten war, dienstlich sachlich, schnörkel- und emotionslos aus. Die Antwort des Papstes hingegen sehr ausführlich. „Zunächst darf ich Sie bitten, sowohl dem Trappisten Abt Dom Domenic und meinem Freund Maximilian aus Aachen für ihre korrekte Beurteilung der Situation und für ihr besonnenes Handeln im Namen aller Christen meinen Dank auszusprechen. Ich schlage vor, Sie bilden eine Art Sonderkommission. Dazu gehören sollten unser Präsident des Governatorats, Kardinal Giuseppe Berelli, einer der sieben Kardinäle der Exekutive, einer der Herren aus der Kongregation für Glaubensfragen sowie einer der zwölf Päpstlichen Räte mit Zuständigkeit für inter-religiösen Dialog. Sie haben hiermit meine volle Zustimmung und Unterstützung für die Entscheidungen dieses Gremiums. Sorgen Sie dafür, dass das Manuskript dieses unseligen Professors ebenso wie eventuell bestehende Duplikate oder Speicherungen endgültig vernichtet werden.“ Der Papst machte eine nachdenkliche Pause. „Ich muss zugeben, ich würde gerne mal einen Blick in das Manuskript werfen. Ist denn ein Versteck im Kloster Mariawald vorerst wirklich sicher? Vor allem sorgen Sie dafür, dass dieser theologische Wissenschaftler nie wieder Vergleichbares von sich geben wird. Kardinalstaatssekretär, nutzen Sie die gesamte Bandbreite des Ihnen zur Verfügung stehenden Apparates aus und vermeiden Sie dabei alles, was
Weitere Kostenlose Bücher