Manuskript des Teufels
überraschen, wenn in absehbarer Zeit von ganz oben die Order einträfe, das Manuskript solle im vatikanischen Archiv in Rom eingemottet werden.“
D’Aubert atmete ein paar Mal tief durch. Er, die erfolgsverwöhnte Beliebtheit in Person, fühlte sich in diesem Augenblick wie jemand, der gegen eine Mauer gelaufen war. Er war urplötzlich auf das Brutalste ausgebremst worden. So musste sich jemand fühlen, den nach einer Routineuntersuchung eine tödliche Diagnose ereilte.
„Puhhhh! Entschuldige meine saloppe Ausdrucksweise, aber das haut mich echt um.“ Aloisius glaubte, ein leichtes Zittern seines Freundes wahrzunehmen. „Ich muss über alles nachdenken“, stöhnte D’Aubert. Die geforderten, notariell beglaubigten Erklärungen bekommst du natürlich sofort per Post.“ Zum Abschied umarmten sie sich Trost spendend und Trost suchend.
„Mach’s gut, mein Junge“, gab Pater Aloisius seinem Freund noch mit auf den Weg, „ich kann dich nicht mehr beschützen wie früher, aber du bist wohl Manns genug, auf dich selber aufzupassen. Grüß deine lieben Eltern und deine Liebste von mir.“
D’Aubert schien diese Worte gar nicht mehr wahrzunehmen. Tausend Gedanken schossen gleichzeitig durch seinen Kopf. Seine Absichten mit dem Buch waren aufrichtig. Für ihn bedeuteten seine sensationellen Entdeckungen keine Beschädigung sondern eine Bereicherung des Glaubens.
Und jetzt das!
Wieder einmal sah er seine Überzeugung bestätigt, dass selbst der genialste menschliche Verstand nicht annähernd in der Lage ist, Gott zu verstehen.
Indem er sich noch einmal wie in Zeitlupe zu Aloisius umdrehte und ihm ein Lächeln schenken wollte, was ihm misslang, verließ er in einem Zustand körperlicher, geistiger und emotionaler Paralyse die alles beschützenden und verbergenden Mauern von Mariawald.
6
Marcello Mozarini hatte sein Jackett abgelegt und die schwarze ärmellose Weste aufgeknöpft. Ein wenig erschöpft saß er hinter seinem großen Schreibtisch. Sein Blick schweifte über den Arbeitsplatz durch das gegenüberliegende Fenster und verlor sich im tiefen Blau des Himmels über Italien.
Er schüttelte den Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Aber er musste sich wohl ernsthaft um diese verrückte Sache kümmern.
Soeben hatte er nach einem mehrstündigen Gespräch den Bischof der Diözese Aachen , Maximilian Gutendorff, verabschiedet, der weder Mühen noch Kosten gescheut hatte, persönlich in Rom vorstellig zu werden.
Der Bischof hatte ihn ausführlich über das Schriftwerk des Theologie-Professors Dr. Stephan D’Aubert in Kenntnis gesetzt und ihm versichert, dafür gesorgt zu haben, dass dessen Manuskript im Trappistenkloster Mariawald in der Eifel an einem sicheren Ort für immer unter Verschluss bleiben werde.
Bischof Gutendorff hatte die persönliche, mündliche Berichterstattung gewählt, weil ihm alle anderen Informationswege nicht sicher genug schienen. Er hatte es auch abgelehnt, dieses Schriftstück auf die Reise mitzunehmen. Man wusste ja nie, was unterwegs alles passieren könne. Unvorstellbar, wenn dieses verteufelte Dokument durch welchen Grund auch immer in falsche Hände geraten würde.
„Lieber Freund“, hatte Mozarini dem Bischof bestätigt, „Sie haben absolut richtig gehandelt. Ich bin Ihnen, auch im Namen meines Chefs, für Ihre Besonnenheit und Ihr persönliches Engagement von ganzem Herzen dankbar. Wir werden den Flächenbrand zu verhindern wissen. Ich werde umgehend einen Gesprächstermin von höchster Dringlichkeit beim Heiligen Vater einholen. Auf jeden Fall werden wir Sie über unser weiteres Vorgehen informieren.“
Kardinalstaatssekretär Mozarini, Stellvertreter des Papstes und zweithöchster Mann im Vatikan, hatte bei der herzlichen Verabschiedung seines Gastes ein verschmitztes Lächeln aufgesetzt: „Das nächste Mal, wenn Sie mich besuchen, bringen Sie mir aber ein paar Aachener Printen mit.“
„Verdammt“, fluchte der fromme Mann aus Aachen mit einem Lächeln, „daran hätte ich wirklich denken müssen.“
Der Gast bat noch um Übermittlung herzlicher Grüße von einem kleinen, ergebenen Diözesanbischof aus dem deutschbelgisch-niederländischen Dreiländereck an den Heiligen Vater und verabschiedete sich.
Kardinalstaatssekretär Mozarini, die rechte Hand des Papstes in der Leitung der Römisch-Katholischen Weltkirche und damit höchster Repräsentant aller kirchlichen und politischen Aktivitäten des Vatikans, kehrte zurück von seinem kurzen Mußeausflug
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