MARCO POLO Reiseführer Lissabon
traditionellen Amüsierviertel Bairro Alto haben sich szenige Bars und schrille Läden eingemietet. Lissabon hat etwa 500 000 Einwohner, im GroÃraum (Grande Lisboa) leben zwei Millionen Menschen. Die Stadt ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Hunderttausende Zuwanderer aus den ehemaligen Kolonien in Afrika wie Angola oder Mozambique strömten in den 1960er- und 70er-Jahren ins Land. Sie haben sich in der portugiesischen Gesellschaft fast vollständig integriert. Zusammen mit den Einwandern aus Brasilien, Indien (Goa) und dem chinesischen Macao â den Festlandchinesen und Pakistani in Gegenden wie Martim Moniz â gehören sie heute selbstverständlich zum StraÃenbild der Metropole.
Einer Legende nach wurde Lissabon von Odysseus gegründet. Die erste Blütezeit erlebte die Stadt unter den Römern, die sich 205 v. Chr. hier an der Tejo-Mündung ansiedelten und aus Olissopona den bedeutendsten Handelsplatz Lusitaniens machten. Zeugen dieser Zeit sind die Ruinen des römischen Theaters (Teatro Romano) in der Alfama, das heute ein Museum ist. Einen noch dauerhafteren Eindruck haben die Mauren, die Lissabon im Jahr 714 eroberten, in der Stadt hinterlassen. Unter ihrer 400 Jahre währenden Herrschaft wurde Lissabon ein Zentrum arabischer Kultur. Es entstanden als unbefestigte Vorstädte die heutigen zentralen Stadtviertel Alfama und Mouraria.
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Beliebte Flaniermeile in der Baixa â die Rua Augusta führt zum Tejo
Glorreiche Vergangenheit
1147 gelang es König Dom Afonso Henriques, im Bunde mit den Kreuzfahrern die Stadt zurückzuerobern. Lissabon wurde Sitz der königlichen Familie und mit dem Ende der Wiedereroberung (Reconquista) im 13. Jh. Hauptstadt des jungen portugiesischen Königreichs. Ihre wahre GröÃe erreichte die Stadt im 15. und 16. Jh. mit den Entdeckungen und Eroberungen der portugiesischen Seefahrer. Bartolomeu Diaz umrundete 1488 das Kap der Guten Hoffnung. Zehn Jahre später entdeckte Vasco da Gama den Seeweg nach Indien, und kurz darauf landete Pedro Ãlvares Cabral in Brasilien. Bald besaà das kleine Portugal ein Weltreich, und Lissabon wurde zur prächtigsten Metropole Europas. Schiffe, voll beladen mit Gold und Silber, Gewürzen und Edelhölzern â und Sklaven â legten im Hafen an. Der florierende Handel brachte der Hauptstadt unermesslichen Wohlstand. Prachtbauten wie das Hieronymuskloster (Mosteiro dos Jerónimos) im Vorort Belém sollten Lissabons Rolle als blühendes Welthandelszentrum unterstreichen.
Die Goldene Epoche fand mit dem verheerenden Erdbeben im November 1755 ein abruptes Ende. Die Katastrophe legte binnen weniger Minuten die Stadt in Schutt und Asche und kostete mehr als 40 000 Menschen das Leben. Der damalige AuÃenminister Marquês de Pombal erwies sich als genialer Stadtplaner. Er lieà Lissabon auf dem ReiÃbrett wieder auferstehen. Gerade StraÃen, klare Linien, rechte Winkel, Sicherheitsabstände zwischen den Häuserzeilen waren seine Vision â die Geburtsstunde der Unterstadt Baixa, heute noch Pombalina genannt. Es folgten Jahrzehnte wirtschaftlicher und politischer Turbulenzen. Das Königshaus versippte und brachte keine bedeutenden Persönlichkeiten mehr hervor. 1910 floh König Manuel II. nach GroÃbritannien ins Exil. Portugal wurde Republik und dann Diktatur. Der faschistische Diktator António de Oliveira Salazar leitete die Geschicke des Landes fast ein halbes Jahrhundert â Europas längste Diktatur â und während es ihm gelang, Portugal aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten, machte er es gleichzeitig zum âArmenhaus Europasâ â so seine eigenen Worte. Der Polizeistaat wurde am 25. April 1974 durch einen friedlichen Aufstand am Kolonialkrieg verzweifelnder Generäle mit Unterstützung des Volkes weggefegt: die âNelkenrevolutionâ â nach den roten Nelken (cravos) in den Gewehrläufen der Soldaten. Mit dem Anschluss an Europa 1986 gewann das Land neues Selbstbewusstsein, aber viele veraltete Strukturen blieben bestehen.
Schwierige Zeiten in der Gegenwart
Die üblichen GroÃstadtprobleme machen auch vor Lissabon nicht Halt. Durch den internationalen Hafen sickern Drogen in die Stadt, und an der Peripherie gibt es soziale Brennpunkte. Notwendige Sanierungen bleiben oft auf der Strecke. Der 100. Geburtstag der Republik am 5. Oktober 2010 fiel mitten in die Krise. Heute herrschen harte Realitäten: 12
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