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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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würde also vielleicht doch ein Brief auf der Matte hinter der Tür liegen. Aber kein weißer Umschlag, ein gelber würde es sein, und sie mußte bis zum nächsten Morgen warten, um es zu erfahren. Ein unvernünftiger und ungerechter Gedanke schoß ihr durch den Kopf: jetzt würde ihre Mutter sagen können: «Ich hab dir ja gleich gesagt, fahr nicht weg.» Es war wirklich verrückt von mir, hierherzukommen.
    Eigentlich merkwürdig, daß sie gar nicht das Bedürfnis hatte zu weinen. Sie war ganz ruhig, nur ihr Herz pochte dumpf und hart, und tatsächlich konnte sie es unter der dünnen Seide ihres Morgenrocks schlagen hören.
    «Bingo», sagte sie, «Bingo, es ist etwas Furchtbares geschehen.» Der kleine Hund sprang aus seinem Körbchen, schüttelte sich, gähnte, streckte sich und trapste hinter ihr her, als sie zur Haustür ging. Sie öffnete sie, Wind und Regen schlugen ihr ins Gesicht, während sie in die tobende Nacht hinausblickte. Entmutigt schloß sie die Tür wieder, ihr war kalt.
    Ihr erster impulsiver Gedanke war gewesen, ins Dorf zu laufen und irgend jemanden, der ein Telefon besaß, herauszuklopfen. Sie wollte Angela anrufen oder die Admiralität, ganz gleich wen. Aber bei diesem Sturm würde sie niemals bis ins Dorf kommen, es war mehr als fünf Meilen entfernt, sie würde den Weg gar nicht finden. Selbst wenn es ihr gelänge, müßte sie in ein fremdes Haus gehen und Erklärungen abgeben, vielleicht würde sogar jemand mit im Zimmer sein, wenn sie telefonierte.
    Das Klirren und Krachen eines Dachziegels, der vom Küchendach in den Hof fiel, vertiefte das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Es war ein furchtbarer Sturm. Sie mußte warten — und versuchen, nicht nachzudenken. Sie ging wieder in den anderen Teil des Zimmers zurück. Wenn sie sich hinsetzen und ihr Buch zur Hand nehmen würde, vielleicht wäre dann alles wieder gut. Die Zeit würde zurückschnellen, und sie würde feststellen, daß nichts geschehen war.
    Denn das konnte gar nicht geschehen sein. Von solchen Schicksalsschlägen wurden andere getroffen, nicht sie. Vier Offiziere sind gerettet worden, und selbstverständlich war er einer von diesen. «Ich habe Glück, ich habe immer Glück gehabt», hatte er das nicht an jenem zauberhaften Abend im Casino in Cannes gesagt, als... war das wirklich erst im letzten Mai? Genausogut könnte es in einem anderen Leben gewesen sein.

    

    Nur nicht nachdenken, das war der einzige Ausweg. Sie begann sich zu beschäftigen, trug die Kaffeetasse hinaus in die kleine Küche mit dem Steinfußboden, steckte noch eine Lampe an, holte den Wasserkessel vom Feuer und fing an, das Abendbrotgeschirr abzuwaschen. Es war kalt in der Küche, und sie holte ihren Mantel, um ihn sich über ihren Morgenrock zu hängen. In dem Schrank, in dem ihr Kamelhaarmantel hing, standen ein Paar riesige Gummistiefel, und neben einer abgetragenen alten Segelmütze hingen ein Paar ausgebeulte, ölbefleckte, graue Flanellhosen. Sie machte die Tür mit einer hastigen, erschrockenen Bewegung wieder zu und kehrte zu ihrem Geschirr zurück. Sie versuchte, sich auf Einzelheiten zu konzentrieren: wann sie am nächsten Morgen aufbrechen müßte, um den ersten Bus zu bekommen, und wen sie anrufen würde.
    Als sie fertig war, wollte sie sich nicht wieder an den Kamin setzen. Sie wollte hinaufgehen in das Zimmer mit dem unebenen Fußboden und den gelben Chintzvorhängen, wollte sich ins Bett legen, in dem es weich, warm und dunkel war, und auf den Morgen warten.
    Nachdem sie ihre Wärmflasche gefüllt, sich die Zähne geputzt und die Haare gebürstet hatte, wie an jedem anderen Abend auch, drehte sie das Licht aus und kroch ins Bett, dessen Laken einen Geruch von Sauberkeit und Frische ausströmte. Sie fühlte sich sehr klein.
    Sie lag auf dem Rücken, über sich die niedrige Zimmerdecke; an ihren Füßen fühlte sie den warmen Körper des Hundes. Mit weitgeöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Sie kämpfte gegen den Gedanken an, gegen den sie sich immer wieder gewehrt hatte, seit die Stimme im Radio mit dem Ausdruck des Bedauerns ihre Sicherheit zerstört hatte. Der Gedanke, daß vielleicht nie wieder, nie wieder...
    Sie durfte einfach nicht daran denken, auch nicht an die Zukunft. An die Vergangenheit, die Gewißheit war, mußte sie sich halten. Es war sicherer, zurückzublicken als vorwärts. Während sie so dalag und wartete, nahm sie die verschwommenen Umrisse

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