Nur in deinen Armen: Roman
1
DEVON, JUNI 1820
Abstinenz.
Dieses Wort klang nicht einmal angenehm.
Alasdair Reginald Cynster, allgemein bekannt, und das aus gutem Grund, als Lucifer, schob diesen Gedanken mit einem verächtlichen Schnauben weit von sich und konzentrierte sich stattdessen auf seine beiden hochgezüchteten Schwarzen, die er über die schmale Straße lenkte. Die Straße führte nach Süden auf die Küste zu, Colyton, sein Ziel, lag ein Stück weiter an dieser Straße.
Um ihn herum hüllte der Frühsommer das Land in seine herrlichen Farben. Eine leichte Brise fuhr durch das Korn, Schwalben flogen im Wind hoch über ihm wie schwarze Pfeile vor dem blauen Himmel. Dichte Hecken rahmten die Straße ein, vom Sitz seines zweirädrigen Zweispänners aus konnte Lucifer gerade darüber hinwegsehen. Viel gab es in dieser ruhigen, ländlichen Gegend allerdings nicht zu sehen.
Also gab er sich ganz seinen Gedanken hin. Er lenkte die beiden Schwarzen in einem gemächlichen Tempo auf der kurvenreichen Straße und dachte über die wenig verlockende Möglichkeit nach, ohne die weibliche Gesellschaft auskommen zu müssen, an die er sich so gewöhnt hatte. Es war kein angenehmer Gedanke, aber er würde lieber diese Qualen erdulden, als das Risiko einzugehen, sich dem Fluch der Cynsters unterwerfen zu müssen.
Das war kein Fluch, den man leichtfertig abtun konnte - fünf seiner nächsten männlichen Verwandten waren ihm bereits erlegen, das waren schlicht alle außer ihm. Die Bar Cynsters hatten bei den Damen Londons Eindruck gemacht, die schmachteten und sich nach ihnen verzehrten. Wagemutig, teuflisch und unbesiegbar schienen die Bar Cynsters, bis der Fluch einen nach dem anderen ereilt hatte. Jetzt war er der Letzte von ihnen, der frei war - ungebunden, unverheiratet und unverbesserlich. Er hatte nichts gegen eine Ehe, aber leider war die Krux des Fluches, dass ein Cynster nicht einfach heiratete. Er heiratete nur eine Dame, die er liebte.
Allein dieser Gedanke ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. Der Verletzlichkeit, die damit einherging, würde er sich niemals willentlich unterwerfen.
Gestern hatte sein Bruder Gabriel genau das getan.
Und das war einer von zwei Gründen, warum er jetzt hier war und sich in die Einsamkeit von Devon begab.
Er und Gabriel hatten einander das ganze Leben lang sehr nahe gestanden, immerhin betrug der Altersunterschied zwischen ihnen nur elf Monate. Der einzige Mensch, den er auf dieser Welt besser kannte als Gabriel, war seine Spielgefährtin Alathea Morwellan. Jetzt war sie Alathea Cynster. Gabriel hatte sie gestern geheiratet und hatte damit Lucifer die Augen dafür geöffnet, wie unausweichlich der Fluch war. Er hatte sein Werk ohne Rücksicht vollendet und hatte gegen jede Übermacht und Wahrscheinlichkeit gesiegt.
Er wünschte Gabriel und Alathea von Herzen Glück, aber er hatte nicht die Absicht, sich die beiden zum Vorbild zu nehmen.
Jetzt nicht. Und sehr wahrscheinlich niemals.
Wozu brauchte er eine Ehe? Was würde er damit gewinnen, was er nicht bereits besaß? Frauen waren ja ganz nett, er liebte es, mit ihnen zu tändeln, er genoss die unterschwellige Herausforderung, auch die Widerspenstigste von ihnen zu erobern und sie in sein Bett zu bekommen. Er genoss es, ihnen beizubringen, gewisse Freuden miteinander zu teilen. Doch weiter ging sein Interesse nicht. Er lebte in anderen Sphären und liebte seine Freiheit, er wollte niemandem Rechenschaft schuldig sein. Er liebte sein Leben so, wie es war, und hatte nicht die Absicht, es zu ändern.
Er war entschlossen, diesem Fluch zu entgehen, er kam recht gut ohne Liebe aus.
Also war er heute Morgen heimlich vom Hochzeitsfrühstück von Gabriel und Alathea verschwunden und hatte London verlassen. Jetzt, wo auch Gabriel verheiratet war, wäre er, Lucifer, das Hauptziel aller Mütter mit unverheirateten Töchtern in der gehobenen Gesellschaft, daher hatte er alle Einladungen zu den sommerlichen Hauspartys ausgeschlagen. Er war nach Quiverstone Manor gefahren, dem Landsitz seiner Eltern in Somerset. Dort hatte er seinen Kammerdiener Dodswell zurückgelassen, der aus dieser Gegend stammte und seine Schwester besuchen wollte. Heute Morgen hatte er Quiverstone schon früh verlassen und war in Richtung Süden gefahren.
Auf der linken Seite der Straße entdeckte er drei Häuser, sie standen an der Einmündung eines schmaleren Weges, der von einer Anhöhe herunterführte. Langsam fuhr er an den Bauernhäusern vorüber und über die Bergkuppe
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