Mark Brandis - Aufstand der Roboter (Weltraumpartisanen) (German Edition)
anderen Zweck; in seinem Oval inszenierte die Reinigende Flamme ihre Schauprozesse, die in alle Welt und bis hinauf auf die Venus übertragen wurden. Eine johlende Menge auf den Rängen hatte hierbei das gesunde Volksempfinden darzustellen. Manches Mal hatte ich mir bei ihrem Anblick die Frage vorgelegt, ob denn niemand von diesen Männern und Frauen ahnte, daß es all dies schon einmal gegeben hatte und daß seitdem gerade erst hundert Jahre vergangen waren. Auch damals hatte es bereits Virtuosen gegeben, die mit der öffentlichen Meinung umgingen wie mit einem willfährigen Instrument. Das war in Moskau so gewesen, in Berlin und in all den anderen nachfolgenden rechten und linken Diktaturen, an denen im 20. Jahrhundert kein Mangel gewesen war.
Das Portrait des Generals ersetzte seine Anwesenheit. Die Aburteilung von ein paar Raumpiraten erschien ihm als nicht besuchenswert. Das brachte mich um die Gelegenheit, ihm einige Wahrheiten direkt ins Gesicht zu sagen. Bewirkt und geändert hätte ich damit zweifellos nichts; möglicherweise hätte man mich gar nicht erst zu Worte kommen lassen. Aber versucht – das stand für mich fest – hätte ich es.
Quer über den Himmel zog sich in jener im allgemeinen nur der Reklame dienenden Lichtschrift, die sowohl in der Nacht als auch am Tage sichtbar ist, die neue Devise der Reinigenden Flamme:
UNSER IST DIE ERDE!
UNSER IST DER HIMMEL!
UNSER IST ALLES!
Für den geschulten Blick, der etwas genauer hinsah, gab es darüber hinaus noch etwas anderes zu sehen – etwas, das diese anmaßende Überheblichkeit als Lüge entlarvte: winzig kleine flimmernde Punkte, die darauf hinwiesen, daß dem General doch noch nicht alles gehörte. Raumpatrouillen wachten über Metropolis. Ein Verzweiflungsschlag der VOR und der Freien EAAU ließ sich eben noch nicht gänzlich ausschließen.
Während ich zusammen mit Captain Monnier und Lieutenant Stroganow auf das Urteil wartete, das Gesicht mit halb zugekniffenen Augen der Sonne zugekehrt, die ich in meiner unterirdischen Gefängniszelle zwei Wochen lang entbehren mußte, dachte ich darüber nach, wie viele bereits vor uns diese endlosen, qualvollen Minuten durchlebt haben mochten, die Hoffnung vortäuschen, wo längst keine mehr ist, weil das Urteil längst feststand, noch bevor das Verfahren begann: EAAU gegen Mark Brandis und Komplizen .
Dennoch hatte man in aller Breite und Ausführlichkeit verhandelt, Zeugen aufgerufen, Eide schwören lassen, Beweismaterial geprüft, Sachverständigen das Wort erteilt. Für den oberflächlichen Betrachter war es ein korrekt und sachlich geführter Prozeß gewesen, an dem es nichts auszusetzen gab. Sogar ein Pflichtverteidiger war da; zum Schluß der Verhandlung hatte er mit wohltönender Stimme und unter Berufung auf die bisherige Unbescholtenheit seiner Mandanten um ein weises und gerechtes Urteil gebeten. Aufmerksame Eingeweihte konnten aber nicht übersehen, daß einige sehr wichtige Belastungsmomente nicht einmal Erwähnung fanden.
In der Einsamkeit meiner Zelle, in die ich unmittelbar nach der Landung in Metropolis geschafft worden war, hatte ich bis zuletzt damit gerechnet, Rechenschaft ablegen zu müssen über meine Beteiligung an der Präsidentenbefreiung des Jahres 69 und am sogenannten Unternehmen Delphin . Bei der Verlesung der Anklage wurden diese beiden Punkte jedoch nicht mit einem einzigen Nebensatz erwähnt.
Der Vertreter der Anklage begnügte sich damit, mich, Captain Monnier und Lieutenant Stroganow als die sogenannte Delta-VII-Bande einiger sehr allgemein formulierter Verbrechen zu beschuldigen, die zu den drei Anklagepunkten ‚Raumpiraterie, Banditismus und Mord‘ zusammengefaßt waren. Die darauf Bezug nehmenden Fragen waren in einer Art und Weise abgefaßt, daß man sie nur mit einem Ja oder Nein beantworten konnte; darüber hinausgehende Erläuterungen oder gar klärende Diskussionen waren nicht zugelassen.
»Trifft es zu«, hatte es beispielsweise geheißen, »daß Sie im Besitz einer Waffe gewesen sind?«
Erläuterungen des Sachverhalts, weshalb man sich im Besitz einer Waffe befunden hatte, mußten unterbleiben.
Oder: »Trifft es zu, daß Sie sich hauptberuflich mit der Führung eines Schiffes beschäftigten, das keinerlei festen Heimathafen hatte?« Ein paar Sätze hätten genügt, um zu erklären, wie und warum es dazu gekommen war; das bloße Ja allein mußte wie das Eingeständnis einer tatsächlichen Schuld klingen.
Ganz zu Anfang hatte Lieutenant Stroganow den
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