Mark Brandis - Raumsonde Epsilon
Augen, Sir, ist er verrückt.«
»Verrückt oder nicht«, antwortete ich, »auf jeden Fall weiß er, was er will. Das macht ihn gefährlich.«
»Sie glauben, Sir«, erkundigte sich Lieutenant Simopulos, »daß an seiner Geschichte etwas Wahres ist?«
»Ich glaube es nicht nur«, gab ich zu, »ich bin davon überzeugt.« Ich wandte mich an den Navigator. »Was können Sie uns über die Epsilon-Bootes-Zivilisation sagen, Mr. Stroganow?«
Der Sibiriak hatte sich auf den Bodenplanken ausgestreckt. Nun verschränkte er die Arme unter dem Kopf.
»Es gibt da eine Theorie, Sir«, sagte er. »Angeblich pflegt die Epsilon-Bootes-Zivilisation in unregelmäßigen Abständen eine unbemannte Sonde zum Sonnensystem zu entsenden, gewissermaßen als Späher. Diese – von der jetzt die Rede ist – mag durch einen technischen Defekt an der Heimreise gehindert worden sein.«
»Der Doppelstern Epsilon Bootes«, warf Captain van Kerk zweifelnd ein, »ist, soviel ich weiß, hundertunddrei Lichtjahre von der Erde entfernt!«
»Das ist ja das Sensationelle«, sagte Lieutenant Stroganow. »Eine Zivilisation, deren Schiffe in der Lage sind, solche gewaltigen Räume zu überwinden, muß uns in der Tat um mindestens dreizehntausend Jahre in der technologischen Entwicklung voraus sein.«
»Was wissen Sie noch über diese Theorie?« fragte ich.
»Als ich jung war«, antwortete Lieutenant Stroganow, »ging sie durch alle Nachrichtenorgane. Epsilon Bootes – der Stern, der der Zivilisation den Namen gegeben hat – wird von sieben Planeten umlaufen. Einer dieser Planeten – so geht die Theorie – war von intelligenten Wesen besiedelt. Aber diese Wesen waren in ihrer Existenz bedroht. Ihre Sonne dehnte sich aus und zwang sie, sich nach einer neuen Heimstatt auf einem der übrigen Planeten umzusehen. Die Wesen machten aus der Not eine Tugend: sie entwickelten, um ihre Auswanderung einzuleiten, ein gewaltiges Raumfahrtprogramm. Dafür, daß es so gewesen ist, könnte diese Sonde der Beweis sein.«
Per Dahlsen, der Koch, hatte bislang geschwiegen. Nun hielt es ihn nicht länger. »Aber was ist, wenn diese Sonde in unrechte Hände gerät? Ich meine, wenn sich dieser Captain d‘Arcy ihrer bemächtigt?«
»In diesem Fall«, bemerkte Lieutenant Mercier ironisch, »wird die ganze Menschheit vor ihm die Mütze ziehen müssen! Dreizehntausend Jahre technologischen Vorsprungs – in der Hand eines Militärs wird dies zur Superwaffe. Captain d‘Arcy – Kaiser des Sonnensystems! Bereits die Vorstellung macht mich kotzen.«
Lieutenant Mercier brachte, was uns alle bewegte, auf einen drastischen Nenner.
Die Vorstellung war nicht abwegig. Captain d‘Arcy, der abtrünnige Offizier, war zur Übernahme der absoluten Macht fest entschlossen.
Was aber hatte es mit der von ihm angedeuteten Verschwörung der Obristen auf sich? Wenn ich seine Worte richtig auslegte, dann gab es auch auf der Erde Leute, die in dieser Pandora-Sonde nichts anderes sahen als ein Instrument der Macht.
Die Tage und Nächte in der engen Arrestzelle wurden zur Qual. Anfangs hatten wir noch Pläne geschmiedet. Das war längst vorbei. Aus der Zelle führte nur ein Weg hinaus in die Freiheit, und dieser war verschlossen und bewacht. An einen gewaltsamen Ausbruch war nicht zu denken. Die Wände, die uns umschlossen, waren massiv und fest; nur Sprengstoff war imstande, sie zu zerstören. Sprengstoff! Wir verfügten nicht einmal mehr über ein Feuerzeug. Alles hatte man uns abgenommen.
Auf das Pläneschmieden folgte die Erschlaffung – und auf die Erschlaffung die Resignation.
Draußen auf der Plattform wurde unermüdlich an der Instandsetzung der Hermes gearbeitet, des schnellsten und besten Schiffes unter den Sternen – und wir saßen in einer engen, stickigen, unzulänglich klimatisierten Arrestzelle, unfähig, das sich anbahnende Verhängnis aufzuhalten.
Dann und wann gelang es mir zu schlafen – aber die meiste Zeit lag ich mit offenen Augen grübelnd da. Was hatte es nur auf sich mit der Macht und der von ihr ausstrahlenden Versuchung?
Die Liste der Menschen, die ihr erlegen waren, zog sich durch die ganze Geschichte: Alexander, Caesar, Dschingis-Khan, Tamerlan, Napoleon, Cecil Rhodes, Hitler, Stalin, der Texaner Smith – und jetzt: ein wahnsinniger kleiner Hauptmann! Und keine Generation lernte aus den Fehlern der vorhergehenden. Der Mensch veränderte das Antlitz der Erde und der Planeten – aber er selbst? Immer wieder zerbrach er seine Gesetzesordnung, um nach
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