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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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gedacht, daß sich eine auf der Ares so stille Person als so kompetent und energisch erweisen würde? Er hatte sich an seinen Eindruck von ihr auf der Ares seit sehr langer Zeit nicht mehr erinnert. Sie war so erschüttert gewesen, als Tatiana Durova durch einen umstürzenden Kran getötet wurde. Das war für alle ein Schock gewesen - außer für Michel, der sich als erstaunlich distanziert von der Katastrophe erwiesen hatte, dem ersten Todesfall. Würde Nadia sich jetzt noch daran erinnern? Ja, das würde sie, wenn sie daran gedacht hätte. Für Sax gab es nichts Einmaliges; oder, um genauer zu sein, wenn die Behandlung bei ihm anschlug, würde sie es auch bei ihnen allen tun. Da war Wasili, der in beiden Revolutionen für UNOMA gekämpft hatte. An was erinnerte er sich? Er sah betroffen aus; aber das konnte Begeisterung gewesen sein - irgend etwas oder alles. Höchstwahrscheinlich war es die allgemeine Emotion, die Fülle - offenbar einer der ersten Effekte der Behandlung. Vielleicht erinnerte er sich auch an Tatianas Tod. Nur Sax und Tatiana waren damals zu einem Spaziergang in der Antarktis hinausgegangen, und Tatiana war auf einem lockeren Stein ausgerutscht und hatte sich einen Knöchel verrenkt, und sie hatten warten müssen, bis Nussbaum Riegel sie mit einem Helikopter von McMurdo ins Lager zurückbrachte. Er hatte das seit Jahren vergessen; und dann hatte Phyllis ihn an die Nacht erinnert, wo sie ihn festgenommen hatte, und er hatte das prompt bis zu diesem Moment wieder vergessen. Zwei Wiederholungen in zweihundert Jahren. Aber jetzt war es wieder da: Die niedrige Sonne, die Kälte, die Schönheit der Dry Valleys, die Eifersucht von Phyllis auf die große dunkle Schönheit Tatianas. Daß diese Schönheit zuerst sterben sollte, war wie ein Signal, ein alter Fluch. Mars als Pluto, Planet von Furcht und Schrecken. Und jetzt jener Tag in Antarctica, die zwei Frauen längst tot. Er war der einzige Überlieferer jenes Tages. Ohne ihn würde er ausgelöscht sein. O ja, woran man sich erinnern konnte, war genau der Teil der Vergangenheit, den man am stärksten empfunden hatte, die durch Emotionen über eine gewisse Schwelle gedrängten Ereignisse. Die großen Freuden, die großen Krisen, die großen Katastrophen. Aber auch die kleinen. Er war von dem Basketballteam des siebten Grades ausgeschlossen worden, hatte allein geweint, als er die Liste las, an einer Trinkfontäne am äußersten Ende der Schule, und hatte gedacht: Das wirst du nie vergessen. Aber, bei Gott, er hatte es behalten. Große Schönheit. Das erste Mal, daß man Dinge tat, die eine besondere Bedeutung hatten. Die erste Liebe - wer war das eigentlich gewesen? Eine leere Stelle, damals in Boulder, ein Gesicht, irgendeine Freundin eines Freundes. Aber das war keine Liebe gewesen, und er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern. Nein - jetzt dachte er an Ann Clayborne, die vor ihm stand, ihn fest anschaute - irgendwann vor langer Zeit. Was hatte er versucht, sich in Erinnerung zu rufen? Der Sturm der Gedanken war so dicht und rasch, daß er sich an manches würde nicht erinnern können. Dessen war er sich recht sicher.
    Ein Paradoxon, aber nur eines von vielen, die der einzelne Faden des Bewußtseins in dem riesigen Feld des Geistes bewirkte. Eine Kraft von zehn in der vierunddreißigsten Potenz, die Matrix, in der alle großen Vorkommnisse gediehen. Im Innern des Schädels war ein Universum - so ungeheuer groß wie das draußen. Ann - er hatte auch mit ihr einen Ausflug in Antarctica gemacht. Sie war kräftig. Seltsamerweise hatte er sich während des Ausflugs über die Caldera von Olympus Mons niemals an diesen Spaziergang über Wright Valley in Antarctica erinnert, trotz der Ähnlichkeiten, einen Spaziergang, auf dem sie so ernst über das Schicksal des Mars diskutiert hatten und wo er so sehr gewünscht hatte, ihre Hand zu ergreifen, oder daß sie die seine nehmen würde. Warum hatte er so für sie geschwärmt? Und er, der sich in seiner Laborratten-Art nie zu solchen Gefühlen aufgeschwungen hatte, erstickte jetzt aus lauter Schüchternheit. Sie hatte ihn neugierig angeschaut, aber die Bedeutung der Situation nicht verstanden und sich nur gewundert, daß er so stotterte. Er hatte als Junge ein wenig gestottert. Das war ein biochemisches Problem, das anscheinend durch die Pubertät verschwand, aber gelegentlich wiedererschien, wenn er nervös war. Ann - Ann - er sah ihr Gesicht, als er mit ihr diskutierte auf der Ares, in Underhill, in Dorsa

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