Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
Brevia, im Lagerhaus von Pavonis. Warum immer dieser Angriff auf eine Frau, die ihn so angezogen hatte? Warum? Sie war so stark. Und dennoch hatte er sie so deprimiert gesehen, als sie hilflos auf dem Boden lag in jenem Felsenwagen, viele Tage lang, als ihr roter Mars starb. Einfach so dagelegen. Aber dann hatte sie sich aufgerappelt und weitergemacht. Sie hatte Maya davon abgehalten, ihn anzuschreien. Sie hatte geholfen, ihren Partner Simon zu begraben. Sie hatte all das getan, und niemals war Sax für sie etwas anderes gewesen als eine Last. Ein Teil ihres Leides. Das ist es, was er für sie war. In Zygote oder Gamete war er wütend auf sie - Gamete - tatsächlich in beiden - ihr Gesicht so verzerrt - und dann hatte er sie zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen. Und dann später, als er ihr die Langlebigkeitsbehandlung aufgezwungen hatte, hatte er sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen. All diese Zeit vergeudet. Wenn sie tausend Jahre lang leben würden, wäre das nicht lange genug, um eine solche Vergeudung zu rechtfertigen.
    Er ging im Alchimistenviertel umher. Er traf wieder auf Wasili, der mit tränenüberströmtem Gesicht im Staub hockte. Sie beide hatten das Experiment mit den Algen von Underhill verpfuscht, genau hier in eben diesem Gebäude. Aber Sax bezweifelte sehr, daß Wasili deshalb weinte. Vielleicht wegen etwas aus den vielen Jahren, die er für UNOMA gearbeitet hatte oder etwas anderes, unmöglich zu wissen. Nun, er könnte ihn fragen. Aber in Underhill herumspazieren, Gesichter sehen, und sich dann jäh an alles erinnern, was man wußte, war keine Situation, um nachfolgende Erkundigungen auszulösen. Nein - weitergehen, Wasili seiner Vergangenheit überlassen. Sax wollte nicht wissen, was Wasili bedauerte. Außerdem schritt auf halbem Wege zum Horizont im Norden eine einzelne Gestalt dahin - Ann. Eigenartig, sie ohne Helm im Freien zu sehen. Weißes Haar flatterte im Wind hinterher. Das genügte, um den Fluß der Erinnerungen anzuhalten. Aber er hatte sie zuvor so gesehen in Wright Valley. Ja, ihr Haar war damals auch hell gewesen. Aschblond nannte man das nicht sehr elegant. Es war gefährlich, unter den wachsamen Augen der Psychologen eine Bindung einzugehen. Sie waren im Dienst und unter Druck. Es gab keinen Raum für persönliche Beziehungen, die wirklich gefährlich waren, wie Natasha und Sergei bewiesen hatten. Aber es geschah dennoch. Vlad und Ursula wurden ein solides, beständiges Paar. Das Gleiche geschah mit Hiroko und Iwao, mit Nadia und Arkadij. Aber die Gefahr, das Risiko. Ann hatte ihn über den Labortisch beim Lunch anschaut; und in ihrem Blick war etwas, irgendein Interesse. Er wußte nicht was. Er hatte keine Menschenkenntnis. Sie waren alle solche Mysterien. An dem Tag, als er die Nachricht von seiner Aufnahme unter die Ersten Hundert bekam, hatte er sich so bekümmert gefühlt. Wieso? Kein Weg, es herauszufinden. Aber jetzt sah er den Brief in dem Faxkasten an dem Ahornbaum vor dem Fenster vor sich. Er hatte Ann angerufen, um zu erfahren, ob auch sie dabei wäre. Das war der Fall. Eine kleine Überraschung für ihn, der so einsam war. Aber er war ein bißchen glücklicher gewesen, wenn auch immer noch betrübt. Der Ahorn hatte rote Blätter gehabt. Herbst in Princeton, traditionell eine melancholische Zeit. Aber melancholisch war sie nicht gewesen. Einfach nur traurig. Als ob Leistung nichts wäre als eine gewisse Anzahl der drei Milliarden Herzschläge des Körpers, die vergangen waren. Und jetzt waren es zehn Milliarden, und es ging noch weiter. Nein, es gab keine Erklärung. Die Menschen waren Geheimnisse. Als Ann ihn fragte: »Sollen wir zum Lookout Point spazieren?«, in jenes trockene Labortal, hatte er sofort zugesagt, ohne zu stottern. Und ohne es richtig so eingerichtet zu haben, waren sie getrennt ausgezogen. Sie hatte das Camp verlassen und war zum Lookout Point marschiert; und er war ihr gefolgt. Und da draußen - o ja - beim Blick nach unten auf die Ansammlung von Hütten und die Treibhauskuppel, eine Art von Proto-Underhill, hatte er ihre Hand in Handschuhen in die seine genommen, als sie Seite an Seit dasaßen und vollkommen freundschaftlich übers Terraformen diskutierten, ohne daß eine besondere Absicht dabei im Spiele war.
    Und sie hatte ihre Hand wie schockiert weggezogen und war erschauert (es war sehr kalt - jedenfalls für irdische Verhältnisse), und er hatte ebenso schlimm gestottert wie später nach seinem Schlaganfall. Eine limbische Hämorrhagie,

Weitere Kostenlose Bücher