Masken der Lust (German Edition)
denen.
Fünf Stunden und einen altbackenen Donut später trat sie siegreich mit einem neuen Scheck vor die Tür, der die fehlende Hälfte und noch etwas mehr wert war. Sie hatte genug, um früher nach Venedig zurückzukehren, wenn sie rasch handelte.
Sarah ging schnell los, überhörte die Sirenenklänge der Modeboutiquen und Schuhgeschäfte. Dann blieb sie stehen. Bei The Strand waren Kunstbücher herabgesetzt. Neue und gebrauchte. Es waren allesamt große, aufwendige Bildbände, randvoll mit Gemälden und Fotos. Bücher, die man in einen Couchtisch verwandeln konnte, falls man keinen Couchtisch hatte, um sie darauf zu präsentieren.
Es lohnte sich, einen Blick darauf zu werfen. Sie trat ein und fand sie gleich vorn ausgestellt. Oje. Da war eines, das sie einfach haben musste. Nur zehn Dollar und wie neu. Venedig in der Kunst. Sie nahm es hoch, blätterte die Seiten durch und war begeistert von den ausgezeichneten Abbildungen der Gemälde, die sie in der Accademia und dem Ca’ Rezzonico gesehen hatte.
Das Buch verfolgte einen vertiefenden Ansatz, enthielt auch Entwürfe und Vorzeichnungen für die Meisterwerke und Arbeiten von Geringeren als den Größten. Sie kannte nicht sehr viele von ihnen – wow. Dieses Buch musste sie haben.
Sarah blätterte eine Seite um und hatte die sinnliche Zeichnung eines männlichen Aktes vor sich, die sie sofort erkannte. Marco. Nackt. Kraftvoll, selbst im Schlaf. Von ihr gezeichnet, ausgestreckt in träger Pose, sein vornehmes Profil vor dem angewinkelten Arm, auf den er den Kopf stützt, eine Hand über seinem Schwanz.
Ungläubig und mit offenem Mund starrte sie auf die Bildunterschrift. Unbekannter Künstler, venezianische Schule, spätes achtzehntes Jahrhundert. Bleistift und Kohle. Privatsammlung.
Sie sah wieder auf die Zeichnung. Der Schlafende darauf regte sich, schlug die Augen auf und blickte sie geradewegs an. Er sagte etwas – seine Lippen bewegten sich. Sarah keuchte auf.
Cara mia. Komm zurück. Sie war sicher, dass er das gesagt hatte. Sarah berührte die Seite, und er krümmte sich unter ihren Fingerkuppen, als habe sie ihn gekitzelt.
Mit einer Hand fuhr er sich durch die Linien aus schwarzer Kohle, die sein Haar waren, und gähnte. Er barg Schwanz und Eier in seiner Handkuhle und schenkte ihr ein schläfrig-erotisches Lächeln.
«Ich komme, Süßer», flüsterte sie. «Jetzt sofort.»
Ein Angestellter, der weitere Kunstbände in die Regale stellte, warf ihr einen fischäugigen Blick zu. Sarah nahm ihn nicht wahr. Sie hastete zur Kasse und kaufte das Buch.
Fast ein Jahr später …
Hoch über dem Markusplatz hielt ein Engel sein Gleichgewicht auf einer Plattform, die auf dem Campanile aufgebaut war. Die Gestalt war von Sarahs und Marcos Position aus, wo sie scharenweise von Feiernden in atemberaubenden Kostümen umgeben waren, kaum zu erkennen, und das Drahtseil, an dem der Engel von der Spitze des Campanile zum Bogengang im Dogenpalast fliegen würde, war fast unsichtbar. Marco nahm sie in seine Arme, hüllte sie beide in seinen schwarzen Umhang und wehrte so die feuchtkalte Februarluft ab. Die Menge erzeugte ihre eigene Wärme und war bereit zu feiern, ob mit oder ohne Engel.
«Bellissima.» Ein sehr alter Herr, der wie ein Edelmann des siebzehnten Jahrhunderts gekleidet war, zog schwungvoll seinen Dreispitz und verneigte sich vor Sarah. «Vergebt mir, Signor. Aber das Kostüm Eurer Begleiterin ist wunderschön, und sie ist es auch. Der Schleier und das weiße Kleid – Vollendung!»
Marco lachte und hob ihre Hand, um ihren Ehering mit Diamanten vorzuzeigen. «Es ist kein Kostüm, Cavaliere. Sie ist eine Braut – meine Braut. Wir haben vor einer Stunde geheiratet.»
«Ah! Ich wünsche Euch jede erdenkliche Freude, Signore e Signora. Lasst den Karneval beginnen!»
Er verschmolz wieder mit der Menge, während Marco und Sarah gemeinsam mit den anderen emporblickten, um den Flug des Engels zu sehen. Dann beugte sich Marco vor, um ihre Lippen zu küssen. Die Menge jubelte, aber die Jungverheirateten hörten nichts davon.
Informationen zum Buch
Karneval der Sinne
Die junge Amerikanerin Sarah ist verzaubert von der prickelnden Atmosphäre der Lagunenstadt – und von dem charmanten Venezianer Marco. Doch der hat ein verführerisches Geheimnis. Marco ist Hexenmeister und nimmt Sarah mit ins Venedig des 18. Jahrhunderts – eine Zeitreise voll opulenter Sinnlichkeit und grenzenloser Lust. Aber plötzlich scheint der Weg zurück in die Gegenwart
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