Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
eingearbeitet. Der Prinzipal wies auf eine kleine Steinbank davor. Ferin setzte sich, schob die Schale in die dafür vorgesehene Halterung im Wasser und begann mit ihrem Eid. Flüsterleise sank das Echo ihrer Stimme aus dem Gewölbe herab, hüllte sie ein, sanft und kühl. Ferin erschauerte.
Nun hieß es warten. Es dauerte mitunter lange, bis die Schale sich füllte.
Mit einem Mal überlagerte ein Brausen ihre Worte, das Wasser zu ihren Füßen geriet in Aufruhr. Ein Strudel bildete sich. Das vorher so unbelebte Element kreiste mit ureigener Kraft um sein schäumendes Zentrum, so schnell, dass das Auge Mühe hatte zu folgen. Inzwischen konnte Ferin sich selbst nicht mehr hören, nur das Tosen der Fluten. Dennoch sprach sie unermüdlich weiter, mit der Gewissheit, die treibende Kraft dieses Schauspiels zu sein.
Als das Wasser sich endlich beruhigte und nur noch kleine Wellen zurückließ, die sich in konzentrischen Kreisen ausbreiteten und gluckernd gegen die Einfassung schlugen, verstummte Ferin. In der Schale lag ein hauchzartes Geschöpf: die Maske. Ihre Maske. Hie und da erzitterte sie, bewies ihre Lebendigkeit, dann wieder ruhte sie in erwartungsvollem Sehnen. Ein ebensolches Sehnen überwältigte Ferin, bis sie meinte, vor Qual zerspringen zu müssen. Wenige Herzschläge trennten sie von ihrem größten Traum.
Sie hob die Schale aus dem Wasser. Der Prinzipal führte sie zu einem Steinsockel neben der Treppe. Eine Kristallschüssel stand darauf, gefüllt mit Gaáb.
Ferin wich nicht zurück, als sich der Prinzipal mit dem Pinsel näherte, sie zuckte nicht zusammen, als die Grundierung ihre Haut berührte. Zügig trug er die Paste auf. Und obwohl das Gaáb in den Malen wie Säure brannte, ließ sie die Prozedur ohne einen Laut über sich ergehen. Leise Befriedigung ob seines Erstaunens flackerte in ihr auf. Schmerz war ihr nicht fremd.
Die Maske zappelte ungeduldig, kaum dass der Prinzipal sie aus der Schale genommen hatte, so als könnte es ihr nicht schnell genug gehen. Behutsam legte er sie Ferin auf. Sie verharrte unbeweglich und mit gesenkten Lidern. Die lebendige Schicht flatterte über ihr Gesicht, suchte nach ihrem Platz, linderte das Brennen. Es war wie die Berührung kühler Fingerkuppen, hastig, aufgeregt, fieberhaft. Und doch gezielt.
Noch während sich die Falten glätteten, sich Haut an Haut band, durchflutete Ferin nie gefühltes Selbstvertrauen. Eine sanfte Welle, die jegliche Verkrampfung ihrer Muskeln löste. Sie streckte sich, machte einen tiefen Atemzug und stieß ihr altes Selbst von sich. Es würde sie nie wieder belasten.
Schließlich regte die Maske sich nicht mehr. Der Prinzipal nahm Ferin die Schale ab und geleitete sie zum Spiegel. Was sie sah, war ein schlankes, hochgewachsenes Mädchen, eine anmutige Gestalt mit der Haltung einer Tänzerin. Eine neue, ganz andere Ferin. Die Maske folgte der Mimik ihres Gesichts, dehnte sich in das zaghafte Lächeln, das ihren Mund umspielte, zauberte Grübchen auf ihre Wangen und feine Falten um ihre Augen. Ungläubig tastete sie über ihre Nase, befühlte Stirn und Kinn. Makellose Haut verdeckte die Male und den Riss und schuf ein Bild vollkommener Schönheit. Ferins anfängliches Staunen wandelte sich in schiere Freude.
Im Spiegel fing sie den warmen Blick des Prinzipals auf. Schuldbewusst wollte sie den Kopf senken, als ihr klar wurde, dass sie dazu nicht mehr verpflichtet war. Die Regeln der Konvention hatten mit der Maskierung ihre Gültigkeit verloren. Sie war dem Gesetz nach eine Merdhugerin, sie durfte tun und lassen, was sie wollte. Sie war frei. Und trotzdem war es ihr unangenehm, seinen Augen zu begegnen. Die Macht der Gewohnheit, dachte sie und wandte sich ab.
Der Spiegelsaal breitete sich in seiner ganzen Pracht vor ihr aus, schöner noch, als sie es sich je hatte vorstellen können. Dicke Säulen aus weißem Marmor trugen ein Gewölbe, das wie ein Netz hoch über ihrem Kopf thronte. Durch die Spitzbogenfenster fächerten die Strahlen der Mittagssonne und bemalten Wände und Bodenplatten mit flüssigem Gold.
Und dann dieser Spiegel! Er war ein Meisterwerk für sich. Eine rechteckige Fläche fügte sich an die andere, oben bildeten bogenförmige Teile den Abschluss. Ferin wusste von ihrem Vater, wie viel Arbeit dahintersteckte, die großen Glasflächen zu schleifen und mit dem silbrigen Metall zu überziehen. Wie viel mehr Arbeit musste es gewesen sein, sie hier an der Mauer zu montieren?
Ein unerwartetes Geräusch riss Ferin aus
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