Masken - Unter magischer Herrschaft: Roman (German Edition)
deinem widerwärtigen Gesicht!«
Ferin wusste nicht, was das Wort Aphoshtá bedeutete, doch eine Beleidigung war es in jedem Fall. Gern hätte sie etwas erwidert, gern wäre sie nicht nur dagestanden mit großen Augen wie ein Schaf vor der Schlachtbank. Aber ihr fiel keine passende Entgegnung ein. Selbst als ihr Jasta ins Gesicht spuckte, hob sie nur reflexartig die Hand und wischte sich den Schleim von ihrer neuen Haut.
Eines der Mädchen eilte mit dem Gaáb und dem Tuch herbei. Hinter der Mauer rauschte das Wasser und ließ vermuten, dass sich die Schale eben mit der Maske füllte. Als das Brausen abebbte, legte sich die Stille für einige Herzschläge besänftigend über die kleine Gruppe von Menschen, dann begann Jasta wieder zu toben.
»Du solltest besser gehen, Ferin«, meinte der Prinzipal.
Sie entfernte sich gehorsam ein paar Schritte, blieb aber wieder stehen, weil sie das Gefühl hatte, am Boden festzukleben. Das eben Erlebte hielt sie im Spiegelsaal, und sie versteckte sich hinter einer Säule.
»Halten Sie sie ja fest!«, rief der Prinzipal den Wachen zu.
Als die Schülerin der kleinen Pheytana das Tuch anlegen wollte, schüttelte sie wild den Kopf, so dass das Leinen immer wieder verrutschte. Schließlich klemmte der Prinzipal Jastas Kiefer zwischen seinen Fingern ein wie in einen Schraubstock. Sie knurrte, wimmerte, keuchte. Es nutzte nichts, nun war das Tuch rasch festgezogen. Schon berührte der Pinsel mit dem Gaáb Jastas Gesicht, und ihr markerschütterndes Heulen zog wie ein Orkan durch den Spiegelsaal.
Ferin in ihrem Versteck machte einige schnelle Atemzüge. Der verzweifelte Schrei des Mädchens ging ihr bis an die Knochen. Sie sah, wie die Pheytana weiterhin kämpfte und den Pinselstrichen zu entkommen versuchte. Sie sah es, doch verstehen konnte sie es nicht. Es war ihr unbegreiflich, weshalb sich jemand so sehr gegen die Maskierung wehrte.
Die Maske gibt den Pheytanern die Freiheit, hieß es im dritten Artikel der Konvention. Er war zu ihrem Gebet geworden, das ihrem Dasein Sinn gab und ihr ein erreichbares Ziel vor Augen führte. Wie kann jemand nicht frei sein wollen?, wunderte sie sich.
Der Prinzipal arbeitete schnell, traf nur selten daneben, und bald bedeckte die Grundierung Jastas Gesicht. Sie war inzwischen am Ende ihrer Kräfte angelangt. Ihre Schreie waren leiser geworden, ein erbärmliches Wimmern wie von einem verwundeten Tier kroch über den Steinboden, Ferins Rücken herauf, und löste dort Gänsehaut aus. Sie empfand Mitleid für das arme Mädchen, das anscheinend nicht wusste, welche Gnade ihm mit der Maskierung zuteilwurde.
Die zweite Schülerin brachte die Schale mit der Maske. Der Prinzipal beendete seine Arbeit mit einem Seufzen. »Gleich sind wir so weit«, sagte er, »dann ist es überstanden.«
Als er die Maske auf Jastas Gesicht legte, bäumte sie sich noch einmal auf. Die Gardisten trotzten ihrer Gegenwehr, und die Maske saugte sich mit sanftem Schmatzen an ihre Wangen. Wie ein Schmetterling an einer Blüte forschte sie nach der richtigen Position, faltete sich von hier nach da, unschlüssig, wo sie hingehörte. Der Anblick war bezaubernd. Die rosige Haut wirkte keineswegs künstlich oder aufgesetzt, Züge und Mienenspiel blieben in einer Natürlichkeit erhalten, die den Maskenträger unverwechselbar machten.
Jasta hing nun mehr in den Händen der Wachen, als dass sie stand, sie rührte sich nicht. Auch die Maske hatte ihr Zuhause gefunden. Kein Zucken, kein Flattern, nur ein ruhiges, geglättetes Antlitz – es war vollbracht.
Der Prinzipal schaute nachdenklich auf sie herab. »Sie können sie loslassen. Die Maske macht ihre Arbeit gut.«
Ferin runzelte die Stirn. Was meinte der Prinzipal mit Arbeit?
Die Wachen kamen dem Befehl mit Freuden nach und traten von der Bestie in ihrer Mitte zurück. Sie brach stöhnend vor dem Spiegel zusammen. Es hatte nicht den Anschein, als könnte sie noch einmal gefährlich werden. Erleichterung breitete sich auf den Gesichtern der Merdhuger aus und gipfelte in allgemeinem Aufatmen.
Der Prinzipal bedankte sich und schickte die Gardisten hinaus. Ferin wollte abwarten, bis sie ihren Posten vor dem Tor wieder bezogen hatten. Erschöpft lehnte sie sich an die Säule. War es die eigene Maskierung, die ihre Muskeln erzittern ließ? Oder waren es die Eindrücke von Jastas Kampf? Sollte sie sich nicht wie neugeboren fühlen? Sollte die Euphorie nicht alles überdecken? Das Glücksgefühl nicht unbeschreiblich sein? Nichts davon
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