Maskenball Um Mitternacht
Wunsch zu heiraten, wollte einen Ehemann, hübsche Kinder und ein eigenes Haus haben.
Das Problem bestand bloß darin, dass ihr noch kein Mann begegnet war, den sie heiraten wollte. Zugegeben, es hatte Zeiten gegeben, in denen sie sich in das Lächeln eines hübschen jungen Mannes verliebt hatte oder breite Schultern in einer Husarenuniform ihr Herz höher schlagen ließen. Aber diese Episoden waren nur flüchtige Schwärmereien gewesen, und der Mann war ihr bisher noch nicht begegnet, mit dem sie sich vorstellen konnte, jeden Morgen am Frühstückstisch zu sitzen – ganz zu schweigen von der vagen geheimnisumwitterten dunklen Faszination, mit ihm das eheliche Bett zu teilen.
Callie hatte den Gesprächen anderer jungen Frauen gelauscht, die von diesem oder jenem Gentleman schwärmten, und sie hatte sich gewundert, wie bedenkenlos andere sich in den Bann der Liebe verstrickten. Sie hatte sich gefragt, ob diese jungen Mädchen eine Ahnung hatten von der anderen Seite tiefer Liebe und wehmütig an die bitteren Tränen gedacht, die ihre Mutter noch Jahre nach dem Tod ihres geliebten Ehemannes vergossen hatte. Eine Frau, die sich in ihrem Schmerz in ein stilles trauriges Gespenst verwandelt hatte, bis der Tod sie endlich erlöste. Callie fragte sich, ob das Wissen um den Kummer, den die Liebe mit sich bringen konnte, sie daran hinderte, sich wirklich zu verlieben … oder ob ihr diese Empfindung einfach ganz fehlte.
Sie verdrängte ihre trüben Gedanken, als die herzogliche Kutsche an den Marmorstufen vor dem hell erleuchteten Haus hielt, ein Lakai herbeieilte und den Wagenschlag öffnete. Sie nahm sich fest vor, sich durch nichts, weder durch die Kritik ihrer Großmutter noch durch ihre Selbstzweifel, diesen Abend verderben zu lassen.
Eilig rückte sie ihre zierliche Halbmaske zurecht, bevor sie die Hand ihres Bruders ergriff, der ihr beim Aussteigen behilflich war.
Im Ballsaal wurden sie von Lady Francesca Haughston begrüßt, die von Callie trotz der blauen Satinmaske sofort erkannt wurde. In einen Traum aus cremefarbenem Tüll, goldener und blauer Seide gehüllt, näherte sich Lady Francesca den neuen Gästen. Sie hatte das Kostüm einer romantischen Schäferin gewählt und sah aus, als sei sie einem Gemälde von Watteau entstiegen. Ihre blonde, kunstvoll hochgesteckte Lockenfrisur war mit blauen Schleifen verziert, den Knauf ihres weißen, blau umwickelten Hirtenstabs schmückte ebenfalls eine große blaue Satinschleife. Der weite blaue Satinrock, seitlich gerafft und von Rosetten gehalten, gab den Blick auf cremefarbene Tüllwolken des Unterkleides frei. Goldene Seidenpumps vervollständigten das bezaubernde Kostüm.
„Welch ein entzückender Anblick“, meinte Rochford gedehnt, während er sich über Lady Francescas Finger beugte.
„Während Sie, wie ich sehe, sich nicht der Mühe einer Kostümierung unterzogen“, entgegnete sie spitz. „Das hätte ich mir denken können. Ich fürchte, Sie schulden Lady Odelia eine Erklärung. Sie war richtig besessen von der Idee eines Maskenballs, müssen Sie wissen.“
Sie wies mit dem Fächer zur entlegenen Stirnseite des Ballsaals. Auf einem Podest thronte Lady Odelia auf einem hohen, mit Samt bezogenen Lehnstuhl. Sie trug eine karottenrote Perücke, deren Kringellöckchen von einem Goldreif gehalten wurden. Ihr Gesicht war weiß geschminkt. Im Nacken ragte der Halbmond einer hohen steifen Halskrause auf. An ihrem durch ein enges Schnürkorsett flach gedrückten Busen hingen viele Reihen Perlenketten, die bis zur spitz zulaufenden Taille des prächtigen Brokatgewandes reichten. Jeden ihrer Finger schmückte ein kostbarer edelsteinbesetzter Ring.
„Aha, die gute Queen Bess“, stellte Rochford fest, der Francescas Block gefolgt war, „allerdings nicht mehr in der Blüte ihrer Jahre.“
„Hüten Sie sich um Himmels willen, eine Bemerkung diesbezüglich fallen zu lassen“, warnte Francesca. „Sie kann nicht mehr lange genug stehen, um alle Gäste zu empfangen, deshalb beschloss sie, stattdessen Hof zu halten. Ziemlich gewitzt, wie ich finde.“
Francesca wandte sich mit einem liebevollen Lächeln an Callie: „Wie schön, dich zu sehen, meine Liebe. Auf dich ist wenigstens Verlass. Du siehst ganz entzückend aus.“
Callie erwiderte Francescas Begrüßung herzlich. Sie kannte Lady Haughston seit ihrer Kindheit, da Francesca, die Schwester von Viscount Leighton, in Redfields aufgewachsen war, in direkter Nachbarschaft von Dancy Park, einem Landsitz des Dukes.
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