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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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mochte, der Anblick dieser seit vielen Jahren vertrauten Figur gab ihm ein Gefühl von Nähe und Zuhause. Schon als kleiner Junge hatte er die gütig anmutende Figur mit kindlicher Ehrfurcht geliebt. Auch jetzt hörte er förmlich die gemurmelten Gebete der Prozessionen und Trauerzüge, die sich damals, in den Augen eines Kindes, in schier endloser Schlange über den Friedhof bewegt hatten.
    Heute gab die geflügelte Skulptur diesem Teil des Friedhofs das Gepräge einer Parkanlage. Als Frank an dem alten Grab vorbei Richtung Ausgang ging, hoffte er, dass diese Figur ihm und den Breyellern noch lange erhalten bleiben würde.
    Frank blieb einen Augenblick unschlüssig vor dem Café stehen und trat dann ein. Ein Kaffee würde ihm jetzt guttun. Und telefonieren konnte er auch von dort aus. Er suchte sich einen Platz nahe der Theke am Fenster. Noch war ein Teil der Karnevalsdekoration nicht abgehängt worden, gleichzeitig standen die ersten Frühlingsblumen in kleinen Töpfen auf den schmalen Tischen. Frank zog seine Jeansjacke aus und hängte sie über die Stuhllehne. Er war der einzige Gast.
    Während er auf seinen Milchkaffee wartete, sah er durch die bodentiefen Fenster auf den Marktplatz. Er musste an Heike van den Hövel denken, die im vergangenen November tot am Fuß des Kirchturms gelegen hatte. Der Mordfall war der erste Anlass gewesen, der ihn nicht als Frank Borsch, sondern als Kriminalhauptkommissar in seinen Heimatort zurückgeführt hatte. Und nun saß er schon wieder hier am Turm, um diese Morde an den Rentnern aufzuklären. Drei Mordfälle in so kurzer Zeit, das war schon ein merkwürdiger Zufall, nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung eigentlich unmöglich. Aber was war bei Morden schon berechenbar?
    »Die beiden Herren arbeiten viel zusammen.«
    Frank sah die junge Kellnerin irritiert an und verstand kein Wort.
    Die dunkelhaarige Bedienung stellte den Milchkaffee ab und zeigte durch die Scheibe nach draußen. »Na, ich meine den Leiter der Stadtbücherei und den Besitzer der Buchhandlung in Lobberich. Ich dachte, Sie haben sich gewundert, wer die beiden sind.«
    Erst jetzt nahm Frank die beiden Gestalten wahr, die gemeinsam langsam über den Marktplatz Richtung Bücherei schlenderten. Während der kräftigere und größere der beiden mit ausholenden Gesten angeregt auf seinen Begleiter einsprach, hörte der Schmalere mit gesenktem Kopf aufmerksam zu.
    »Ach so, die, nein, die sind mir nicht aufgefallen. Ich habe nur über etwas nachgedacht.«
    »Ja, da haben Sie sich heute den richtigen Platz dafür ausgesucht. Heute Vormittag ist es sehr ruhig. Einen Tag nach Karneval haben die Breyeller nichts anderes als ihr Aschenkreuz im Sinn und den Beginn der Fastenzeit. Da fängt die Demut schon mit dem Verzicht auf den Kaffee im Café an.« Die Kellnerin hatte ihr Tablett auf Franks Tisch abgestellt und sah philosophierend auf den nun wieder leeren Platz. »Wissen Sie, man sagt den Breyellern nach, dass sie stur sein können und Fremde nicht mögen.
    Aber das ist nur ein Vorurteil, das können Sie mir glauben. Sind Sie heute das erste Mal in Breyell?«
    Frank wollte schon antworten und ihr sagen, dass er von Geburt an zu diesen ›sturen‹ Einwohnern zählte, blieb aber stumm.
    Die Dunkelhaarige hatte sein Schweigen für ein Nein gehalten. »Na ja, ist eigentlich echt nett hier. Wenn man mal davon absieht, dass es für junge Leute hier nicht so viel gibt. Man muss schon nach Mönchengladbach oder Düsseldorf fahren, wenn man etwas erleben will.«
    Frank nickte nur. Er wollte jetzt in Ruhe seinen Kaffee trinken.
    »Ich bin ja in Bieth aufgewachsen. Das ist noch ein bisschen ländlicher als das Dorf selbst. Na ja, lange bleibe ich nicht mehr hier.«
    Obwohl sie offenkundig auf Franks Anteilnahme wartete, trank Frank kommentarlos einen Schluck von seinem Milchkaffee. Etwas enttäuscht verließ die Kellnerin den Tisch, um dann hinter der Theke Gläser und Tassen von einer Ecke in die andere zu räumen und Frank dabei abschätzend zu beobachten.
    Frank hatte sich fast den Mund an dem heißen Kaffee verbrannt. Er bekam beim Geruch des Kaffees ein heftiges Hungergefühl, aber ein Frühstück oder ein Stück Kuchen wollte er auch nicht. Dafür war er viel zu ungeduldig. Warum nur riefen seine Kollegen nicht an? Nervös trommelte Frank mit seinen Fingern auf die Tischplatte. Dann sah er auf seine Armbanduhr. Er saß erst kaum fünf Minuten im Café.
    Um sich abzulenken, sah Frank wieder auf den Platz hinaus.

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