Maskenball
I.
»Auf keinen Fall.«
»Nun komm schon. Hab dich doch nicht so.«
Aber Lisa blieb wie festgenagelt auf der Türschwelle stehen. »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?« Mit einer kurzen Kopfbewegung deutete sie in Richtung der voll besetzten Tische. In ihren Augen lag eine missbilligende Mischung aus Trotz und ungläubigem Staunen.
Ihre gute Laune drohte zu kippen. Frank hatte es schon geahnt, als sie auf den dicht besetzten Parkplatz gebogen waren, der nahe der Bahnlinie nach Venlo fast versteckt zwischen Hecken, der Plantage einer Baumschule und abgeernteten Spargelfeldern lag. Sein Kollege Heinz-Jürgen Schrievers hatte ihm zwar mit dem bemerkenswert vielschichtigen wie kalorienreichen Vokabular eines echten niederrheinischen Kuchen- und Sahnetortengourmets das Hofcafé Alt Bruch dringend empfohlen; gleichzeitig aber hatte der gewichtige Archivar ihn gewarnt: Das Kaldenkirchener Lokal sei leider schon längst kein Geheimtipp mehr, ohne Reservierung habe man selbst in der Woche kaum eine Chance auf einen freien Platz.
»Keine Sorge, Liebes, ich habe extra einen Tisch für uns reservieren lassen. Warte, das haben wir gleich.« Frank wollte sich lächelnd an ihr vorbei drängen und zur Theke gehen. Jetzt bloß keine Szene, dachte Frank und ärgerte sich über seine eine Spur zu dick aufgetragene Eilfertigkeit.
»Nenn mich bitte nicht ›Liebes‹. Hier bleibe ich nicht, auf keinen Fall, das ist mir viel zu voll hier. Der ganze Nippes und dann auch noch nur altes Fleisch.« Lisa hatte den vorderen Raum des Cafés mit einem kurzen Blick überflogen. »Nur Rentner.«
»Ist schon okay, Lieb … , äh, Lisa. Ist wirklich ein bisschen voll hier. Du hast ja recht. Dafür ist es schön warm und die Kuchentheke unschlagbar.« Frank hatte noch einen Trumpf im Ärmel. »Heini hat mir erzählt, dass hier die Kuchenstücke doppelt so groß sind wie anderswo. Außerdem soll die Auswahl genial sein. Bitte, Lisa, lass uns bleiben.« Frank sah Lisa mit treuem Hundeblick an. »Was stören uns die anderen? Die Leute können doch nichts für ihr Alter. Ich habe jetzt wirklich Kaffeedurst und so richtig Lust auf ein Stück Kuchen. Außerdem ist mir kalt. Schatz, bitte.« Frank legte beschwichtigend seinen Arm um Lisa.
Seine Freundin musterte mit kritisch zusammengekniffenen Augen die gemauerte kleine Theke, das scheinbare Durcheinander von Kännchen, Tellern, Gläsern und Prospekten auf der Ablage, das Sammelsurium alter Kaffeekannen auf den Regalen, die alten Petroleumlampen nachempfundene Beleuchtung, den wuchtigen Buffetschrank aus dunklem Eichenholz und die üppigen Fensterdekorationen. Schließlich blieb ihr Blick an den zusammengewürfelten Tischen und Stühlen hängen, die ursprünglich aus dem privaten Haushalt der Cafébetreiber stammen mochten. Nach einigen, für Frank schier unendlich langen Sekunden, straffte Lisa sich schließlich und stupste ihren Freund mit ihrem Ellenbogen sanft in die Rippen. »Ausnahmsweise. Ich will ja schließlich auch nicht verhungern. Wie du schon sagst, wir übersehen den Rest einfach.«
Frank atmete auf. Seine Freundin klang wieder so unkompliziert und fröhlich wie während der Fahrt von Mönchengladbach nach Kaldenkirchen. Seit sie schwanger war, wusste er nie, wann sie welche Laune hatte.
An der Theke fragten sie nach ihrem Tisch. Eine ebenso freundliche wie rundliche Serviererin blätterte in einem dicken Kalenderbuch, das auf dem Tresen lag, und führte sie dann durch die Gaststube zu ihrem Platz. Frank bestellte für sich ein Kännchen Kaffee, Lisa wollte einen Kakao.
»Der Kuchen muss wirklich gut sein, hast du ihre Figur gesehen?« Lisa kicherte, als sie der gewichtigen Bedienung hinterher sah, deren enge dunkelgrüne Strickjacke sich über ihre breiten Hüften spannte.
»Läster lieber nicht. Nicht lange, und du siehst auch nicht besser aus.« Frank grinste und griff nach ihrer Hand. Als er Lisas angriffslustigen Blick sah, wusste er, dass er die Bemerkung besser runtergeschluckt hätte. »War ’n Scherz. Ist ja nur für kurze Zeit, Schatz, danach hast du ja ruckzuck wieder deine alte Figur. Und wirklich sehen tut man deinen Bauch ja auch noch nicht.« Er versuchte ein diplomatisches Lächeln.
»Bemüh dich nicht, Frank Borsch. Halt besser den Mund, du machst es sonst nur noch schlimmer. Ich werde schon wieder in meine alten Jeans passen, und zwar schneller, als du denkst. Verlass dich drauf. Größe 36, um genau zu sein. Ich bin nur schwanger, und mehr nicht.« Ihre Augen
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