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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Er hatte ja Zeit. Angestrengt horchte er von seinem Sessel aus in den Flur hinein. Aber das Klopfen hatte aufgehört. Oder hatte er sich das Geräusch nur eingebildet? Er sah auf die Wodkaflasche und das fleckige Glas und traute sich nicht, sich vorzubeugen. Er hatte Zeit, viel Zeit.
    Er wusste nicht, ob er eine Minute so gesessen hatte oder schon eine halbe Stunde, immer den Schnaps im Blick und mit einem Ohr in den Flur hinein horchend. Schließlich war die Gier stärker. Mit einem Ruck schob er den Sessel wieder ein Stück vor und griff nach dem Glas. Mit zwei kräftigen Schlucken hatte er es leer getrunken. Er spürte nicht, wie der Wodka sich heiß in seine Eingeweide fraß. Er hatte den Zettel in seinem Flur entdeckt. Wie versteinert hielt er inne und betrachtete das gefaltete weiße Blatt Papier.
    Oh, Gott, wie lächerlich! Er blinzelte. Ein kleines Stück weißen Papiers, und er saß immer noch in seinem Sessel! Er griff nach der Flasche und setzte sie an seinen Mund. Es war nur noch ein kleiner Schluck, und er ersparte sich den Umweg über das Glas. Ein kleines Stück weißes Papier. Mehr nicht. Edgard Breuer schwankte, als er sich aus seinem Sessel erhob. Sein Kreislauf, das musste sein Kreislauf sein. Halt, ganz langsam. Immer schön an der Wand entlang. Das war doch nur ein kurzes Stück. Kein Problem für einen Edgard Breuer, der Dachziegel gebrannt und einen schweren Koffer mit Kurzwaren quer über den Niederrhein geschafft hatte. Jahrein, jahraus. Lächerlich, dieses Stückchen Flur.
    Er beugte sich vor und wäre fast ganz gekippt. Er konnte sich noch so eben an der Wand abstützen. Sein Kreislauf. Die Tochter musste her, sie würde wissen, was zu tun ist. Aber erst den Zettel aufheben! Dieses winzige Stück Papier. Er erhob sich und faltete das Blatt auseinander. Um besser lesen zu können, drehte er sich ein Stück und hielt das weiße Stück Papier ein wenig von sich weg. Die Augen wollten schon lange nicht mehr. Und eine Brille hatte er nicht. Drei Worte las er, handgeschrieben: »Die Blätter fallen«.
    »Die Blätter fallen«? Was sollte das bedeuten? Edgard Breuer ärgerte sich. Wer trieb so einen üblen Scherz mit ihm und schrieb solch sinnlose Sätze auf Papier, um es dann durch den Türspalt zu schieben? »Die Blätter fallen«. Breuer runzelte die Stirn und steckte den Zettel achtlos in seine Hosentasche. Wenn schon. Na, warte! Mürrisch drehte er den Wohnungsschlüssel um und öffnete die Tür.
    Das Letzte, was Edgard Breuer in seinem Leben wahrnahm, war eine schwarz gekleidete, selbst im Gesicht völlig vermummte Gestalt, und ein Fauchen. Und einen Blitz. Dem Ziegeleiarbeiter, Handelsvertreter für Kurzwaren und Wachmann blieb keine Zeit mehr, sich darüber zu wundern, woher dieses gleißend helle Licht kam.

XI.
    Lisa saß an ihrem Schreibtisch. Es war schon spät, aber sie musste noch ihren Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten. Frank lag im Wohnzimmer auf der Couch und beobachtete sie von seinem Platz aus. Wie ein kleines Schulmädchen saß sie da, dachte er, tief gebeugt über ihre Unterlagen, den Kopf schief gelegt und konzentriert. Das sparsame Licht der kleinen Schreibtischlampe ließ ihr dunkles Haar wie schwarze Seide schimmern.
    »Willst du noch lange arbeiten? Ich bin müde.« Frank streckte sich und gähnte. Mit der Fernbedienung schaltete er den Fernseher ab. »Komm, lass uns ins Bett gehen. Morgen wird wieder ein harter Tag. Außerdem bin ich sicher, dass du dich nicht mehr vorzubereiten brauchst. Du hast den Stoff doch sowieso drauf.«
    »Das sagst du so. Bin gleich so weit.« Lisa richtete sich auf und drückte ihren Rücken durch. »Das lange Sitzen bekommt mir nicht mehr. Ich habe Rückenschmerzen. Ob das normal ist in der Schwangerschaft?«
    »Wird wohl.« Frank griff nach der Mineralwasserflasche und setzte sich auf. »Ansonsten, wenn dich das beruhigt, ruf doch deinen Frauenarzt an. Der wird dir das bestimmt erklären können.«
    »Ganz toll, lieber Frank. Statt mich zum Arzt zu schicken, könntest du dich zur Abwechslung mal ein bisschen mehr um mich kümmern. Wie wäre es mit einer kleinen Rückenmassage?«
    Frank erhob sich betont umständlich. »Wenns denn sein muss.« Er konnte durch Lisas eng anliegendes langärmliges T-Shirt sehen, dass sich ihre Muskeln anspannten. Das verhieß nichts Gutes. »War nur ’n Scherz. Bin schon da.« Sanft legte er seine Hände auf ihren Halsansatz und begann ihre schmalen Schultern leicht zu massieren.
    »Wo ich gerade

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